Predigt beim MehrWegGottesdienst 22.7.2012: Wasser!

 Amos 5,24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Hat hier noch jemand Durst? Noch einen Schluck Wasser irgendjemand? Wer jetzt noch nicht genug getrunken hat, ist wirklich selber Schuld. Übrigens, die Toiletten sind da in diesem Seitenturm.

Ganz ehrlich: Irgendwann ist es auch wieder genug mit dem Wasser. Für heute haben wir auch ziemlich gezittert, ob das Wetter hält. Und an anderen Tagen ist es wieder zu wenig. Genau richtig viel scheint es ja nicht zu geben.

Bei der Vorbereitung hatten wir aber doch ein ziemlich seltsames Problem. Das Thema „Wasser“ ist so allgegenwärtig in unserem Leben und so selbstverständlich fast immer vorhanden, dass es uns schwer gefallen ist, es wirklich so auf unser Leben zu beziehen, dass das klar wird: Wie wichtig es ist. Wie zentral. Dass wir ohne Wasser gar nicht leben könnten. Was es für eine Wohltat ist – und dann auch wieder was für eine Bedrohung, wenn der Main über die Ufer tritt oder ein Tsunami ganze Regionen überschwemmt. Wie existentiell bedrohlich schon ein Wasserrohrbruch sein kann – denken wir an das Café, das mal am Eingang der Stadtgalerie war und dann schließen musste.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich habe gemerkt: Ja, das sind alles irgendwie in der Theorie existentielle Themen, aber sie berühren mich nicht wirklich.

Klar, ohne Wasser kann ich nicht leben. Aber hab ich schon mal jemals so Durst gehabt, dass es lebensbedrohlich wurde? Oder musste ich schon jemals richtig hungern, weil die Ernte wegen der Dürre ausgefallen ist?

Klar, Wasser bedroht Leben. Aber war ich schon jemals kurz vorm Ertrinken?

Klar, Wasser macht mich sauber. Ohne Dusche am Morgen fühle ich mich fürchterlich dreckig. Aber trotzdem – was hat das mit meinem Leben zu tun?

Wir hier in Europa haben halt einfach genug davon. Jederzeit Wasser zum Duschen, zum Trinken, zum Kochen, zum Garten gießen und Auto waschen. Dafür investieren wir auch ganz schön viel in Wasserleitungen, Abwasserkanäle, Kläranlagen, Pfandsysteme, Schwimmbäder, Waschanlagen und was weiß ich noch alles. Aber alles das ist selbstverständlich da.

Vielleicht müssten wir mal nach Afrika gehen, um es wirklich schätzen zu können, dieses Wasser. Dahin, wo sauberes Trinkwasser keine Selbstverständlichkeit ist. Wo Menschen eine halbe Stunde zum nächsten Brunnen laufen und dann mit einem Eimer voll Wasser nach Hause kommen. Wo es keine Sanitäranlagen gibt, die für die Gesundheit doch so wichtig sind. Haben Sie gewusst, dass das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser 2010 in die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aufgenommen wurde? Davon sind wir aber noch weit entfernt. Ich zitiere mal kurz ein paar Zahlen ausWikipedia:

Rund 884 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und insgesamt 2,6 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen. In den Millennium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen ist vorgesehen, dass bis 2015 die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser halbiert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, sind rund 10 Milliarden US-Dollar jährlich nötig - das entspricht weniger als der Hälfte dessen, was in Industrieländern für teures Flaschenwasser ausgegeben wird.

So weit Wikipedia. 10 Milliarden Dollar für ein besseres Leben für alle. Früher hätte ich gedacht, ok, eine riesige Anstrengung, aber einfach nicht bezahlbar, auch nicht von den reichen Industrieländern. Wenn ich jetzt aber sehe, mit welchen Beträgen in der Euro-Krise hantiert wird, dann beschämt mich das zutiefst. Da wirken die 10 Milliarden schon fast wie ein Griff in die Portokasse. Ich weiß auch nicht, wie das alles gelöst werden kann. Und vielleicht sind diese ganzen Rettungsmaßnahmen wirklich auch Rettung für uns. Was wäre, wenn unser Staat nach einem Zusammenbruch der Wirtschaft wirklich kein Geld mehr hätte, für Wasserversorgung, Schulen, Gesundheitssystem? Vielleicht sind die Milliarden, die da jetzt bewegt werden, wirklich die letzte Rettung für uns alle. Unseren Wohlstand. Oder sogar unsere Lebensgrundlagen. Das weiß halt keiner so genau – aber anderen geht's noch viel schlechter.

Natürlich können wir jetzt hier keine 10 Milliarden Dollar oder 8,2 Milliarden Euro in der Kollekte sammeln. Aber einen Anfang machen. Wir können uns daran erinnern, wie gut es uns geht. Und das als Ansporn nehmen, für mehr Gerechtigkeit in der Welt einzutreten. Das haben auch die Propheten in der Bibel immer wieder gefordert. Ausgerechnet mit einem Vergleich aus der Wasserwelt sagt es Amos: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Wasser: Ein ganz zentrales Element für unser Leben. Ohne Wasser geht gar nichts. Ohne Wasser sind wir ganz schnell tot.

Darum finde ich es genau richtig, dass ausgerechnet Wasser auch am Anfang der Beziehung zwischen einem Menschen und Gott steht. Ja klar, in der Taufe. Ganz viel wurde schon über die Symbolkraft des Wasser diskutiert. Dass der „alte Mensch“ gewissermaßen ertrinkt und aus dem Wasser ein „neuer Mensch“ heraufsteigt, der schon sozusagen den Tod hinter sich hat und bereits zum Reich Gottes gehört. Nicht so ganz nachvollziehbar, wenn wir nur ein paar Tropfen auf die Stirn gießen. Aber es hat natürlich seine Berechtigung, dieser Gedanke.

Oder der, dass das Wasser symbolisch alles abwäscht, was uns von Gott trennt. Oder dass es Erfrischung und Wegzehrung ist für den Weg, der vor mir liegt.
Irgendwie, denke ich, ist es von alledem ein bisschen. Vielleicht auch alles gemeinsam. Wasser: Das ist ein so vielschichtiges Thema, dass wir es nur anreißen können, selbst wenn wir ein ganzes Jahr unsere Gottesdienste dazu machen würden.

Wasser: Das Zeichen Gottes, dass er da ist. Dabei ist. Mit uns geht. Uns erfrischt. Für uns sorgt. Wasser: Auch das Zeichen, dass wir verbunden sind mit denen, die nicht ausreichend davon haben. Dass es unsere Aufgabe ist, für eine gerechtere Verteilung zu sorgen. Dass wir zusammengehören auf dieser einen Welt.