Predigt beim Schaustellergottesdienst: Was gibt mir Halt?

Ansprache beim Schaustellergottesdienst am 29.6.2014
„Was gibt mir Halt?“

Text: Matthäus 7, 24-29
24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.
25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.
26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute.
27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.
28 Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre;
29 denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.

Na Ulli, bist du schon mit ein paar Fahrgeschäften gefahren?

Na ja, diese schnellen Dinger sind ja nicht so wirklich was für mich. (...)

Ach, ab und zu mach ich das schon mal ganz gerne. Und schließlich bin ich da ja auch wirklich gut gesichert. Da geht ja eine ganze Menge Geld und Arbeitszeit in die Sicherheit der Fahrgeschäfte, vor allem, wo jetzt auch noch neue, noch schärfere Vorschriften kommen, wie ich gehört habe. Wahrscheinlich kann mir da drin weniger passieren als wenn ich hier über die Niederwerrner Straße laufe.

Das mag schon sein. So ganz geheuer ist mir das trotzdem nicht. Aber es stimmt schon: Zumindest hat man da auf den Fahrgeschäften einen richtig festen Halt.

Und das ist ja etwas, was es leider nicht allzu oft im Leben gibt.

Einen festen Halt? Ja, da hast du natürlich Recht. Das ganz normale Leben ist ja manchmal noch mehr Achterbahnfahrt als alle Fahrgeschäfte auf diesem Volksfest zusammengenommen.

Mit einigen Schaustellern hier haben wir ja in der letzten Woche gesprochen und davon gehört, wie schwierig das Leben in diesem Beruf sein kann. Was da alles passieren kann.

Ja, das stimmt. Schon eine streikende Hydraulik kann einem da ganz schön das Geschäft vermasseln. Oder das Wetter – zu warm, zu kalt, zu nass. Und dann kommt auf einmal eine neue Sicherheitsvorschrift und man muss eine Menge Geld investieren, um überhaupt weitermachen zu können.

Und das ist „nur“ die Technik. Bei Ihren oft eher kleinen Betrieben hängt so viel von einzelnen Personen ab. Was ist, wenn da jemand krank wird? Sie wissen, wie schwierig es dann werden kann. Manchmal sogar noch viel schwerer: Wenn der geliebte Ehepartner und gleichzeitig Geschäftspartner plötzlich und unerwartet stirbt.

Da kann man dann schon wirklich das Gefühl bekommen: Ich verliere den Halt im Leben. Es geht nichts mehr. Wie soll das nur weitergehen?

Ja, das ist mal eine gute Frage, Ulli. Wie soll das nur weitergehen? Manchmal fühlt es sich an, als wäre mein Leben gewissermaßen im freien Fall. Mit all den kleinen und großen Problemen, die es da gibt. Wie soll das weitergehen? Immer nach unten, ohne Halt?

Sag mal, DU hast doch das Bild für unser Plakat rausgesucht. Du müsstest es doch eigentlich besser wissen.

Äh – jetzt stehe ich ein bisschen auf dem Schlauch. Was meinst du?

Na ja, da ist ja grade jemand im freien Fall darauf abgebildet.

Ach so, das meinst du. Ja, lieber wäre mir ein Foto von einem Haltebügel oder so was gewesen, aber da habe ich nichts Gescheites gefunden.

Aber ich finde, das Bild drückt doch genau das aus, was wir hier gerade besprochen haben. Da ist ein Mensch, der fällt. In diesem Moment, in dem das Foto aufgenommen wurde, spürt er vermutlich nichts davon, aber er weiß: Dieser Fall geht nicht ins Bodenlose. Da ist etwas, das mich hält.

Das Bungee-Seil. Ja. Das ist ein schöner Vergleich: Auch, wenn ich es gerade im Moment, da ich falle, nicht spüre: Da ist einer, der mich hält und auffängt.

Weißt du noch, was Margot Käßmann damals gesagt hat, als sie als Bischöfin zurückgetreten ist? „Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.“

Ist aber manchmal gar nicht leicht, das zu glauben. Und umso schwerer, je schwerer die Situation ist, in der ich stecke.

Das stimmt natürlich. Wahrscheinlich kann man diese Erfahrung erst im Rückblick wirklich machen: Da war einer, der hat mich aufgefangen und gehalten.

Außer, ich trainiere es.

Wie willst du das denn trainieren? Willst du dich vielleicht hinten in der Bungee-Kugel in die Luft schießen lassen?

Nein, so meine ich das nicht. Sondern ganz anders: Um dieses Vertrauen haben zu können, brauche ich auch vorher schon ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis zu Gott. Wie auch immer das aussehen kann – ab und zu beten, sich mit anderen zum Gottesdienst treffen ...

Ja, genau das machen wir ja hier gerade.

Und das ist auch gut so. Die Gemeinschaft untereinander gehört ja auch dazu. Dass jemand aufgefangen wird, dem's nicht so gut geht. Auch das kennen Sie, die Schausteller. Wenn da einer Probleme hat, dann helfen die anderen. Egal, ob's um die Hydraulikpumpe geht oder um einen Trauerfall. Die Gemeinschaft gibt Halt.

Das mit der Gemeinschaft ist natürlich auch nicht mehr so einfach. Wir haben ja bei unserer Tour übers Volksfest so viele Menschen getroffen, die fast kein Deutsch können. Die zu integrieren, ist ja fast unmöglich, und vielleicht wollen sie es nicht mal.

Ja, das stimmt. Aber einen Versuch wär's wert, oder?

Wir wünschen Ihnen in jedem Fall, dass Sie das spüren können: Gott ist da. Er hält mich. Auch dann, wenn es mir gerade nicht so gut geht.

Amen.