Predigt: Legt ab, was euch beschwert!

Predigt am Palmsonntag 2014
Geldersheim/Euerbach, 13.4.2014

Text: Hebr 12, 1-3

Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

 

Liebe Gemeinde!

In meiner Citykirche-Arbeit habe ich es ja relativ häufig mit Menschen zu tun, die dem Glauben eher reserviert gegenüberstehen. Die mich fragen: Wie kann man eigentlich in einer aufgeklärten, zum großen Teil wissenschaftlich erklärbaren Welt noch an solche Märchen glauben, wie sie in der Bibel stehen?

Ich finde: Das ist durchaus eine berechtigte Frage. Leider erschöpft sich die Diskussion dann oft in der Erörterung, ob die Welt nun durch einen Urknall entstanden ist oder in sieben Tagen von Gott erschaffen wurde – da sind Atheisten oft erstaunlich biblizistisch und können kaum verstehen, dass man auch als Christ nicht immer alles in der Bibel wörtlich nehmen muss.

Trotzdem: Die Frage bleibt. Was glaube ich eigentlich? Was ist es, das micht trägt und hält an diesem Glauben? Was trägt mich auch durch die Zweifel und Anfechtungen hindurch, die es im Glauben immer gibt, ja geben muss?

Direkt vor unserem heutigen Predigttext versucht der Hebräerbrief, ein Kapitel lang eine Antwort darauf zu geben. Nein, eigentlich keine Antwort – eher eine Bestärkung. Ein Kapitel lang werden Menschen aufgezählt, die im Glauben gelebt und gehandelt haben. So steht's im Kapitel 11, stark zusammengekürzt:

11 1 Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. 2 Durch diesen Glauben haben die Vorfahren Gottes Zeugnis empfangen. 5 Durch den Glauben wurde Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehe, und wurde nicht mehr gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte

7 Durch den Glauben hat Noah Gott geehrt und die Arche gebaut zur Rettung seines Hauses, als er ein göttliches Wort empfing über das, was man noch nicht sah; durch den Glauben sprach er der Welt das Urteil und hat ererbt die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt.

8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme.

Und so weiter: Sara, Isaak, Jakob, Esau, Mose, Rahab,

Und was soll ich noch mehr sagen? Die Zeit würde mir zu kurz, wenn ich erzählen sollte von Gideon und Barak und Simson und Jeftah und David und Samuel und den Propheten.

Und dann kommt unser Predigttext von heute:

Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Ja, das mit dem Glauben ist manchmal nicht einfach. Aber der Hebräerbrief sagt uns: Ihr habt eine ganze Wolke von Zeugen um euch herum. Menschen, die vor euch darauf vertraut haben. Menschen, deren Zeugnis ihr vertrauen könnt. Die Reihe könnten wir sicher über die biblische Zeit hinaus verlängern. Vielleicht noch Franziskus nennen, den Heiligen, der mit den Tieren sprach. Oder Dietrich Bonhoeffer, der im Gefängnis saß, den Tod erwartete und dieses wunderbare Lied geschrieben hat: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Oder die Menschen, die Ihnen den Glauben nahe gebracht haben. Wer war das? Die Großeltern, die Eltern? Freunde, Bekannte, Pfarrer? Eine Wolke von Zeugen, die Sie umgibt. Die Ihnen sagt: Es mag vollkommen unwahrscheinlich klingen, diese Geschichte, dass da einer auferstanden ist vom Tod. Diese Geschichte, dass Gott die Welt so sehr liebt, dass er sich mitten hineinbegibt, darin umkommt und uns damit das Leben schenkt. Es mag vollkommen unwahrscheinlich klingen, aber es hat uns überzeugt. Wir haben uns berühren lassen davon. Gottes Geist hat uns angehaucht in unserem Leben, wenigstens manchmal.

Der Hebräerbrief will uns bestärken im Glauben. Uns zeigen: Ihr seid nicht allein auf dem Weg! Aber er sagt auch sehr ernst: Dieser Weg, auf dem ihr seid, das ist alles andere als Larifari.

Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,

So schreibt es der Verfasser des Hebräerbriefs. Lasst uns die Sünde ablegen, alles, was uns von Gott trennt. Alles, was uns belastet. Alles, was uns niederdrückt.

Unser Vorbild ist Jesus Christus, und der hat nun wirklich noch viel mehr Widerspruch erdulden müssen als wir. Und er hat das auf sich genommen. Hat weiter auf Gott vertraut. Hat seine Macht nicht benutzt, um sich ein schönes Leben zu machen, sondern hat für uns gelitten am Kreuz.

Natürlich möchte ich Sie nicht auffordern zu einem „Augen zu und durch“. Ich denke, es wäre nicht gut, vor allen Anfragen an unseren Glauben einfach die Augen zu verschließen, keine Zweifel zuzulassen, sich nur auf den Standpunkt zu stellen „Ich glaube aber trotzdem!“. Das wäre eine Form von Fanatismus, die nur den eigenen Standpunkt gelten lässt.

Ich denke: Viele, die nach außen so einen starken, fast fanatischen, unerschütterlichen Glauben zeigen, sind im Grunde nur ängstlich. Sie haben Angst davor, dass ihre Position unhaltbar wird. Sie haben Angst vor Zweifeln, davor, Unrecht zu haben, davor, vor den Scherben des eigenen Glaubens zu stehen, wenn sie kritische Anfragen zulassen. Der Hebräerbrief schreibt: „ aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens“. Und selbst Jesus hat genau das durchgemacht. Am Kreuz schrie er: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Hätte er das nicht zugelassen, hätte er sich ein schönes Leben gemacht – der Hebräerbrief nennt es „obwohl er Freude hätte haben können“ - was wäre aus ihm geworden? Würden wir heute hier von ihm erzählen, wenn er sich dem Leid, dem Kreuz, der Gottverlassenheit und dem Tod entzogen hätte? Ich glaube kaum.

Glauben, liebe Gemeinde, ist leider oft nichts Strahlendes. Nichts Schönes. Sondern Zweifel, Anfechtung, Sehnsucht nach Gewissheit. Aber dann am Ende eben doch die Erkenntnis: Wir haben eine Wolke von Zeugen um uns herum, die diesen Glauben mit uns teilen. Die die Zweifel mit uns teilten und die Hoffnung, die Gewissheit.

Die Woche, die vor uns liegt, zeigt uns am eindrücklichsten im ganzen Jahr, dass unser Glaube alles andere ist als Friede, Freude, Eierkuchen. Es ist, wie es der Hebräerbrief hier beschreibt, ein Kampf. Und es gibt Momente, in denen wir das Gefühl haben, dass dieser Kampf zu Ende ist und nicht gut ausgegangen ist – Karfreitag, sage ich nur.

Dass ganz am Ende Ostern steht, ein neues Leben, das können wir heute nur erahnen, weil wir es ja seit 2000 Jahren praktisch in jedem Gottesdienst hören. Doch heute, heute geht's ums Kreuz. Ums Versagen. Um die Anfechtung. Wir können unseren Glauben nicht ohne das haben. Trotzdem:

3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Gott stärke uns und bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.