Kirche ins Netz!

Der „Weltherrscher“, so nennt er sich, hat sich mit der Kirche und dem Internet beschäftigt. Ein wirklich lesenswerter Artikel eines „bekennenden Nichtchristen“, finde ich, denn er sieht vieles sehr differenziert. Da ist nicht die ganze Kirche Mist, weil vor Jahrhunderten Menschen im Namen Gottes Unrecht getan haben, Fehler gemacht haben. Da wird den Kirchen zugestanden, dass sie früher Fehler gemacht haben, aber auch aus den Fehlern gelernt haben. Danke für diese ausgewogene Betrachtungsweise, das findet man nicht oft!

Ein Punkt, der mich auch sehr beschäftigt, ist aber die Anfrage: Was macht ihr eigentlich mit dem Internet? Verschlaft ihr schon wieder eine der wichtigsten Entwicklungen? Wo seid ihr, die Kirchen, in diesem Netz, das euch doch auch so viele Möglichkeiten zur Verfügung stellt?
Ich möchte diese Anfrage auf zwei Ebenen beantworten. Erst einmal aus der Sicht eines „normalen“ Pfarrers. Dann möchte ich noch einen Blick darauf werfen, was die Kirche als Institution eigentlich so macht.

Pfarrer und Internet - passt das zusammen?

Mein eigenes Engagement

Zunächst mal: Ich habe als Pfarrer diesen Blogeintrag im Internet gelesen, wo sonst. Nach einem Hinweis auf Twitter, denn wie könnte ich dem Weltherrscher nicht folgen? ;-) Meine eigene Online-Präsenz, damals noch als Vikar (Pfarrerslehrling) begann im Jahr 1998 mit einer Website für einen Jugendgottesdienst, die immer noch online ist und auf die ich dummerweise keinen Zugriff mehr habe. Dann kam ca. 2001 die Website „meiner“ bisherigen Kirchengemeinde, später eine extra Seite für den Take Off-Gottesdienst (mit passwortgeschütztem Team-Bereich), eine für unsere Kirchenband. Das erste, was ich für meine neue Citykirchen-Stelle fertig hatte, war das Grundgerüst für die Website. Natürlich gibt's auch eine – etwas kleiner aufgezogene – Site für die zweite Hälfte meiner Tätigkeit als Schulbeauftragter. Und die Domain www.mehrweggottesdienst.de wurde am gleichen Tag reserviert, an dem wir diesen Namen beschlossen hatten. Ich blogge mehr oder weniger regelmäßig, seit sich mir durch die Umstellung der Gemeinde-Website auf Drupal die Möglichkeit dazu bot. Also seit Juli 2008. Und bei Twitter habe ich mich angemeldet, als es noch eher ein Trend war und kein Hype. Ach ja, auf Facebook bin ich zwar, da werden aber mehr oder weniger nur meine Tweets importiert.  Interessanterweise sind über www.wer-kennt-wen.de schon wesentlich mehr Kontakte gelaufen. Seelsorge ebenso wie Terminabsprache für Taufen und die dazugehörigen Taufgespräche. Bei Xing bin ich angemeldet, nutze es aber nicht. Ebenso Google Wave, das ich mal ausprobiert habe, das mir aber nicht so gefällt. Ach ja, beinahe hätte ich noch ICQ, AIM, Skype und Konsorten vergessen. Da laufen vor allem Kontakte mit Jugendlichen. Und mit meiner Familie...

Ich denke: Es ist wichtig für einen Pfarrer, eine Pfarrerin, erreichbar zu sein. Es ist auch wichtig, dass die Menschen spüren, was das für ein Mensch ist, den sie anmailen, anrufen, mit dem sie twittern. Es ist wichtig, dass sie möglichst unterschiedliche Wege gehen können, denn Menschen sind nun mal unterschiedlich. Aber auch ich kann und muss auf Menschen zugehen. Virtuell - aber vor allem auch im echten Leben. Beides gehört zusammen. Manchmal ergänzt es sich auch. Auf einen "echten" Kontakt folgt eine Nachfrage zum Profil bei WKW. Auf eine Kontaktaufnahme bei WKW folgt ein Seelsorgegespräch oder eine Taufe, ergänzt durch ein, zwei Mails. Da gibt es viele Wege, und jeder Kontakt ist spannend.

Habe ich die Zeit dafür?

Aus Sicht eines Pfarrers kann ich sagen: Im Netz präsent zu sein, kostet viel Zeit. Mehr, als man manchmal hat. Websites und Online-Profile wollen gepflegt sein, Leute erwarten Antworten möglichst nicht innerhalb von Tagen, sondern von Minuten. Und es gibt daneben ja noch ein „real life“, habe ich mir sagen lassen. Ja, es gibt auch Menschen, die besucht werden wollen. Viel ältere, die man nicht bei Facebook oder WKW trifft. Auch manche Jüngere, die nicht ständig online sind. Die „Offline-Arbeit“ eines Pfarrers, einer Pfarrerin ist anstrengend und zeitintensiv genug. Da kann ich jeden verstehen, der für seine persönliche Arbeit andere Schwerpunkte setzt. Zumal man als Gemeindepfarrer im Netz auch nicht unbedingt die eigenen Leute trifft, sondern andere, für die man erst einmal gar nicht „zuständig“ wäre. Da fragt man sich dann auch mal: Gehört das noch zu meinem Dienstauftrag? Klar kann jeder, der ein Anliegen hat, sich an jeden Pfarrer, jede Pfarrerin wenden – aber je mehr man als Pfarrer(in) online präsent ist, desto mehr Anfragen kommen auch von „außerhalb“ der eigentlichen Arbeit. Wo ist da eine Grenze zu ziehen? Gehört das Schreiben dieses Blogartikels als Antwort auf die Anfrage eines Berliners (ich glaub, das hab ich irgendwo gelesen) zu meinen Aufgaben als Schweinfurter Citykirchenpfarrer? Schließlich gibt es ja auch extra Online-Pfarrer(innen)

Das Internet ist nicht für alle.

Dazu kommt, dass wir im Augenblick auch noch viele Kolleginnen und Kollegen haben, die mit diesem ganzen Internet einfach überfordert sind. Kurz vor der Rente, wollen und können sie sich nicht mehr in diese völlig andere Kommunikationsstruktur hineinfinden. Könnte ihnen das jemand verdenken? Immerhin sind in unserem Dekanat alle Pfarrämter per Mail erreichbar. Eine kurze Zählung auf der Dekanats-Website ergab, dass in unserem Dekanat 14 Kirchengemeinden eine eigene Website haben, 8 haben keine, sind aber wenigstens mit Telefonnummer, Adresse, Email, Ansprechpartner (inklusive Bild) auf der Dekanatsseite vertreten. Dazu kommen die diversen Werke und Dienste wie Bildungswerk, Evangelische Jugend, Evangelischer Frauenbund, Diakonie und und und... Drei Pfarrerinnen und Pfarrer unseres Dekanats haben meines Wissens einen Twitter-Account (@EJPfrin, @UMAX974 und natürlich ich unter @Citykirche_SW), dazu kommt die evangelische Jugend @EJ__SW  und @KeKsBauer, die für die Jugend sehr aktiv ist. Die Kirchengemeinde Auferstehung twittert auch noch unter @Berglchurch. Vielleicht habe ich jetzt auch noch was vergessen. Ich finde, das ist schon eine ganz gute Online-Präsenz hier auf unserer Ebene.

Die bayerische Landeskirche im Netz

kurzer Rundumschlag durch die bayerischen Kirchenseiten

Was die Ebene der „Institution Kirche“ angeht, kann ich nur kurz einen Überblick geben, was in unserer bayerischen evangelischen Landeskirche so passiert:
Natürlich hat die Kirche einen eigenen Internet-Auftritt unter www.bayern-evangelisch.de – übrigens haben sich ein Großteil der Gemeinden an die Namensgebung angepasst und sind jetzt unter www.ortsname-evangelisch.de zu finden. Für die interne Kommunikation gibt es ein funktionierendes, aktuelles Intranet unter www.elkb.de Vernetzung wird hier groß geschrieben. Auch ehrenamtlich Mitarbeitende haben Zugriff auf dieses Intranet und die wichtigen Informationen. Die Projektstelle www.vernetzte-kirche.de wurde bereits vor Jahren eingerichtet und bietet z.B. Kirchengemeinden die Möglichkeit, recht einfach und kostengünstig eine eigene Website aufzubauen. Schöne Angebote finde ich auch www.e-wie-evangelisch.de und das Angebot für Kinder www.kirche-entdecken.de

Super: Online-Terminverwaltung

Geradezu begeistert bin ich von www.evangelische-termine.de, unserem bayernweiten Online-Veranstaltungskalender. Der bietet nahezu alle Möglichkeiten, die man sich vorstellen kann. Termine „meiner“ Citykirche werden automatisch auch auf der Dekanats-Website angezeigt, bei Bedarf auch bayernweit. Ein extra Tool stellt automatisiert den Gottesdienstplan für den gemeinsamen Gemeindebrief www.evangelisch-in-schweinfurt.de bereit. Theoretisch könnte man auch alle kirchlichen Veranstaltungen über eine XML-Schnittstelle direkt an die Mainpost übertragen, da sind deren Techniker aber noch nicht soweit. Ach ja, Raumbelegungspläne (mit Import in Outlook und andere Programme) – alles kein Problem.

Web 2.0?

Was Web 2.0 angeht, also die Beteiligung der Nutzerinnen und Nutzer, da sind (abgesehen vom Intranet natürlich) die meisten dieser Seiten allerdings noch nicht so sehr weit. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: Es wird auch nicht so genutzt. Auf der Website der Kirchengemeinde Gochsheim hatte ich ein Forum installiert. Trotz prominenter Platzierung war die Beteiligung fast 0. Immerhin gabs so alle 1-2 Wochen mal einen Kommentar. Da ist der Traffic auf den einzelnen Seiten wohl einfach zu gering.

Na endlich: evangelisch.de!

Ganz anders ist das bei der neuen Website, die von der EKD initiiert wurde: www.evangelisch.de So, finde ich, sollte Kirche sich im Netz heute präsentieren. Peppig, engagiert, informativ, interaktiv, aber auch persönlich. Und auch mit einem gehörigen Schuss Selbstironie. Mir gefällt das Konzept sehr gut. Drum bin ich auch gerne dabei – als einer der Blogschreiber im Blog „stilvoll glauben“ und als Seelsorger im Kreis „das Offene Ohr“.

Ach ja, auch im VZ hatte die Kirche zumindest mal einen offiziellen Auftritt. Ich weiß nicht, obs den noch gibt. Und natürlich noch diverse andere Versuche, ich denke da an www.churchoffools.com oder auch die Online-Beratung auf www.telefonseelsorge.de, www.kummernetz.de und vielen vielen anderen Seiten.

Kirche ist da. Oder?

Also: Kirche ist da, im Netz. Werben wir zu wenig dafür (evangelisch.de hatte sogar einen Werbespot bei RTL)? Ist das Interesse nicht da? Geht das Angebot an der Nachfrage vorbei? Oder ist die Anfrage von Weltherrscher letztlich doch nur von dem Vorurteil bestimmt, dass Kirche ja gar nicht im Netz präsent sein kann, weil sie dafür viel zu veraltet ist? Auf die Kommentare bin ich diesmal wirklich gespannt.
 

Comments

Ich sehe keinen Unterschied zwischen Kirche oder anderen Vereinen / Institutionen, Zusammenschlüssen, Betrieben etc. Wer erfolgreich sein möchte, muss eben dorthin, wo seine Kunden sind und in ihrer Sprache mit ihnen sprechen.

es ging mir weniger um die wenigen pfarrer usw. die durchaus schon im netz unterwegs sind, sondern vielmehr um die weitsicht der kirche als institution im web bzgl. der zukünftigen entwicklungen? wie und was wird die kirche unternehmen, um die einzigartigen chancen des internets in zukunft zu fördern? dazu gehört eben auch, das war ja meine hauptkritik, wie steht die kirche zu den zensurversuchen einiger weniger politikerInnen der lezten zeit? setzt sich sich diese denke fort, wird auch das internet irgendwann den weg gehen, den die kirche über jahrhunderte verfolgte: andersdenkende möglichst ausgrenzen, um so die eigene "lehre" pushen zu können. gerade die kirche hat ja gelernt (luther, reformation usw.). es sollte doch also durchaus ein anliegen der kirche als ganzes sein, erstens aus der eigenen erfahrung gelernt zu haben und zweitens daraus konsequenzen zu ziehen, also die "revolution im netz" (die das internet ja ist, auf mehreren eben; meinungsfreiheit, jede stimme kann gehört werden usw. usf.) eben zu unterstützen. langfristig wird gerade dieser evolutionäre schritt im netz auch wieder ein baustein mehr sein auf dem weg hin zu gerechteren geselschafftsformen. ich kritisierte also nicht in irgendeiner form das engagement oder nichtengagement der kirche im netz oder einzelner pfarrer, sondern stelle die frage, wie die kirche in zukunft eben bzgl. des internets aufgesttellt sein wird? wird die kirche als institution, weil sie hoffentlich erkannt hat, welches potential im internet steckt, auch für die eigene lehre (gleichberechtigung aller menschen, mehr gerechtigkeit in allen bereichen usw.) die idee, also das ideal, hinter dem internet fördern? eben auch fördern, indem mehr einfluss auf die durchsetzung der freiheit im netz genommen wird? egal wie man es dreht und wendet, die haupterfahrung der kirchlichen lehre, gerade auch aus der vergangenheit, muss doch sein, dass zensur in jeglicher form langfristig nur ein irrweg ist. wäre die zensur der damaligen kirche (mittelalter usw.) bis heute durchgehalten worden, wäre eben der mensch von heute technisch und sozial längst noch im mittelalter. also auch im bann all der nichtmöglichkeiten, die eben nur durch eine moderne freie wissenschaft aufgehoben werden konnten. die frage heute, sollte man das "wilde freie" angeblich "rechtsfreie" internet unter mehr kontrolle bringen oder in der bisherigen form, mit vielleicht ein paar sinnvollen ergänzungen (komplexer bereich, würde hier den rahmen sprengen), weiterführen, wird eben entscheidenden einfluss auf die zukünftigen entwicklungen, auch der gesellschaft, nehmen. gerade hier erwarte ich eigentlich mehr weitsicht der kirchen und spez. der strategegen innerhalb der kirche. vielleicht ist mein ansinnen natürlich auch einfach noch nicht gedacht worden bzw. noch nicht ins bewusstsein gerückt. keine ahnung.. als nichtchrist erwarte ich, aufgrund der kircheneigenen lehren (jeder mensch hat das gleiche anrecht zu leben), mehr engagement der kirche für das weiterbestehen des freien internets, mehr engagement der kirchen für die einrichtung freier internetzugänge überall auf der welt, mehr engagement im kampf gegen die zensurversuche einiger weniger monopolisten (die strategien sind doch, da freies internet eben die wenigen herrschaftsstrukturen in allen bereichen -medien, politik usw.- beschneidet, dagegen vorzugehen). wenn ich als nichtchrist mir solche fragen stelle und eben bestimmte antworten fand (s.o.), dann sollte das der kirche mit ihren jahrhunderte langen lernprozessen eigentlich auch so gehen. die antworten können nur ähnlich ausfallen, so viele möglichkeiten lässt da der verstand ja nicht übrig. und wenn man sich den verstand vornimmt, dann ist das für nichtchristen der motor des lebens, für christen ein ausdruck des göttlichen. gemeinsam ist aber beiden, dass der verstand ein werkzeug ist, um langfristig bessere bedingungen und mehr gerechtigkeit überall auf der welt zu schaffen. die einen, die christen, sehen das als göttliches prinzip, die anderen, die nichtchristen, als logische konsequenz ihres denkens und handelns. ich fordere mithin also durchaus die kirche auf, sich konsequenter für die erhaltung des internets zu kümmern. aus verschiedenen gründen, der hauptgrund ist die potentielle möglichkeit für die zukunft.

...auch wenn evangelisch.de auf einem guten Weg ist. Genau wie die Parteien haben auch die Kirchen das Problem, dass sich im Web enorm viele Möglichkeiten bieten, die sich jedoch nur dann richtig nutzen lassen, wenn man sich vom Prinzip "Sender zu Empfänger" bzw. hierarchischen Kommunikationsstrukturen löst - Stichwort "Community Building". Abgesehen davon gilt, was Kommentator Alexander schon richtig bemerkt hatte: Kirche sollte überall dort sein, wo sie die Menschen finden kann. Gerade die jüngere Generation, die mit dem Internet sozusagen als "Leitmedium" aufwächst, ist über andere Kanäle schwerer zu erreichen. Aber so nach und nach bewegt sich ja etwas - wenn evangelisch.de noch wächst und irgendwann den Community-Faktor stärker betont, könnte es meines Erachtens nach zu einem echten Musterprojekt werden.