Nicht nur zur Weihnachtszeit

Es schneit. Weihnachtliche Gefühle kommen auf. Ich überlege ernsthaft, ob man Weihnachten nicht auf Frühlingsanfang verlegen sollte; da gäbe es wahrscheinlich häufiger weiße Weihnachten. Auf dem Heimweg von der Schule komme ich an einem geschmückten Osterbrunnen vorbei. In der Bäckerei kaufe ich mir noch einen Faschingskrapfen und mache mir zu Hause einen Adventstee dazu. Ja, was haben wir jetzt eigentlich? Weihnachten? Ostern? Passions- und damit Fastenzeit?

Nein, den Krapfen hab ich heute nicht gekauft, und Adventstee mag ich gar nicht. Aber das mit dem Schnee und dem Osterbrunnen stimmt. Und es hat mich mal wieder nachdenklich gestimmt, wie wir mit unserer Zeit umgehen. Bemalte Eier gibts im Kaufhaus das ganze Jahr. Krapfen waren, zumindest in meiner mittelfränkischen Heimat, was Leckeres in der Faschingszeit, jetzt gibt es sie jeden Tag.  Erdbeeren gbt es schon jetzt zu kaufen, andere Früchte sowieso das ganze Jahr. 

Wie gehen wir mit unserer Zeit um? Sind wir heimatlos geworden in der Zeit? Gibt es keinen festen Rhythmus mehr, der uns auch Halt vermitteln kann? Wenn alles immer zu haben ist, ist auch alles gleichgültig. An Weihnachten kann ich keine Lebkuchen mehr sehen, weil es sie schon seit einem halben Jahr gibt. An Ostern freut mich der Osterbrunnen nicht mehr, wenn er schon Monate vorher da ist. Und zwischen den wässrigen Treibhaus-Erdbeeren und den frischen vom Feld oder aus dem Garten ist auch nur ein gradueller Unterschied.

Können wir es aushalten, auch mal zu warten? Können wir es aushalten, nicht immer alles sofort zu bekommen? Ich glaube, es würde unser Leben voller machen, reicher, wenn wir diese Zeiten wieder bewusster erleben könnten. Ostereier und Osterbrunnen an Ostern. Krapfen im Fasching. Und Schnee, bitteschön, an Weihnachten. 

Nicht nur zur Weihnachtszeit: Das ist übrigens eine sehr lesenswerte kleine Geschichte von Heinrich Böll.