Der Weg nach unten führt zum Ziel

Predigt am Gründonnerstag 2009 in Obereisenheim
9. April 2009
 

Text: Joh 13,1-15.34.35
Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, daß seine Stunde gekommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
2 Und beim Abendessen, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten,
3 Jesus aber wußte, daß ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und daß er [b] von Gott gekommen war und zu Gott ging,
4 da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.
5 Danach goß er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
6 Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die Füße waschen?
7 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.
8 Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.
9 Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!
10 Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als daß ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.
11 Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.
12 Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wißt ihr, was ich euch getan habe?
13 Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin\'s auch.
14 Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen.
15 Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.
34 Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt.
35 Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

Liebe Gemeinde!

Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, ist es unweigerlich Zeit, sich mit dem eigenen Tod zu befassen. Manche verdrängen es, sagen sich: Na, das ist noch lange hin. Manche andere denken darüber nach, wie das sein wird. Was wird von mir hier auf dieser Erde bleiben? So fragen sich viele. Und sie versuchen, sich Andenken zu setzen, die die Zeit überdauern, die ihre Nachkommen an sie erinnern. Wie viele Dinge habe ich von meiner Oma, in denen steht: Zur Erinnerung an deine Oma! Wie viele Briefmarkenalben habe ich von meinem Opa bekommen, mit der Hoffnung, dass ein Stück seines Lebens in mir lebendig wird, wenn ich sie aufschlage: Briefmarken, die er schon als kleiner Junge gesammelt hat, Briefmarken, die erst wenige Jahre alt sind. Sein ganzes Leben hat er gesammelt, und im Stillen hat er wohl genau das gehofft: Dass seine Kinder, seine Enkel, Urenkel und vielleicht auch noch seine Ururenkel diese Alben aufschlagen und an den Menschen denken, der das alles gesammelt, archiviert und ordentlich zusammengetragen hat.
Nicht jeder sammelt Briefmarken. Aber die meisten fragen sich doch: Was bleibt einmal von mir? Wie werden sich die Menschen an mich erinnern, meine direkten Nachkommen und die, die mit mir zu tun hatten?
Manche schaffen es, sich einen Namen zu machen, der über Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende bekannt bleibt. König Salomo ist schon dreitausend Jahre tot, und noch immer kennt man seinen Namen. Oder die römischen Kaiser aus Roms größter Zeit: Cicero, Augustus, Nero. Aber eben nicht nur die großen Politiker blieben bekannt, manchmal auch kleine Leute, die großes vollbracht haben. Franz von Assisi fällt mir da ein, aber auch Dietrich Bonhoeffer.
Aber wir ganz normalen, einfachen Leute? Viele wollen „hoch hinaus“, wollen sich einen Namen machen. Wollen, dass etwas von ihnen bleibt. Sie tun etwas Besonderes, damit ihr Name damit verbunden bleibt. So wie die Erbauer vieler Häuser, die über der Eingangstür ihre Namen angebracht haben, zusammen mit der Jahreszahl, zu der die Häuser erbaut wurden. Manche wollen unbedingt einen Weltrekord aufstellen, damit ihr Name im Guinness-Buch verzeichnet wird. Was tun Sie? Wie wollen Sie Ihrer Nachwelt im Gedächtnis bleiben? Oder denken Sie darüber gar nicht nach?

Jesus, so erzählt Johannes, wusste ganz genau, dass er sterben würde. Er wusste: Heute ist mein letzter Abend zusammen mit meinen Freunden, meinen Jüngern. Er wusste: Einer ist dabei, der wird mich verraten. Einer von den zwölf wird es sein, der mich ausliefert an die Soldaten. Und auch Jesus tat etwas, was dazu beitragen sollte, dass die Menschen seinen Namen nicht vergaßen. Aber er wolte damit nicht hoch hinaus. Er stellte keinen Weltrekord auf, vererbte keine Briefmarkensammlung. Ganz im Gegenteil: Er ging ganz tief hinunter. Er tat die Arbeit, die normalerweise ein Sklave tat, wenn Gäste kamen, mit staubigen Füßen von der Straße: Er wusch seinen Jüngern die Füße. Für die damalige Zeit war das etwas ganz und gar Undenkbares: Er, der „Meister“, wie Petrus ihn nannte, er beugt sich herunter, verrichtet die niedrigste Sklavenarbeit für seine Jünger! Das ist ungefähr so, als würde der Chef einer großen Firma plötzlich sein Büro aufgeben und als Toilettenmann oder Frau arbeiten..
Kein Wunder, dass die Jünger erst einmal nicht recht wussten, wie sie damit umgehen sollten. Petrus bringt es auf den Punkt: Herr, solltest du mir die Füße waschen? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.
Das hat Petrus offenbar überzeugt: Dieser Jesus, der ist einfach ganz anders als wir „normalen“ Menschen es uns vorstellen. Er geht einen ganz anderen Weg, nicht den Weg nach oben, den wir alle gehen wollen, sondern den Weg nach unten. Und jetzt will er ganz Aneil daran haben, an diesem Jesus und seinen Zeichen. Und er spricht zu Jesus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!
Aber darum geht es Jesus gar nicht. Es geht ihm darum, dass seine Jünger von ihm reingewaschen werden. Und darum, dass er es ist, der diesen erniedrigenden Dienst an ihnen tut. „Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als daß ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein.“. Und sogar der Verräter bekommt von ihm die Füße gewaschen. Jesus macht keine Ausnahme, nimmt nichts zurück, lädt jeden ein. Keiner muss bei ihm vor der Tür bleiben. Und mit seinem Handeln stiftet sich Jesus ein Gedächtnis, das über Jahrtausende halten wird. Nicht, indem er sich erhöht, sondern indem er sich selbst erniedrigt. Nicht, indem er als der strahlende Held dasteht, sondern indem er als Verbrecher verurteilt wird. Der einzige Platz, an dem er erhöht wird, ist der Platz eines Verbrechers: Das Kreuz. Aber er, Jesus, geht hindurch durch das alles. Und wird dadurch unvergesslich.Nicht durch die großen Taten, sondern durchs Dienen. Und er sagt seinen Jüngern: Das könnt ihr auch. Davon sollt ihr euch leiten lassen. Nicht von der Selbst-Liebe, die einen zu großen Taten anspornt, damit alle euch bewundern. Sondern von der Liebe zu anderen, die euch dazu bringt, den anderen zu dienen.

Diese Geschichte ist übrigens nur in einem unserer vier Evangelien verzeichnet: Bei Johannes. Sie wissen, was die anderen drei vom letzten Abend Jesu berichten. Es ist der Grund, weshalb wir heute hier sind: Nach Matthäus, Markus und Lukas hat Jesus am letzten Abend vor seiner Kreuzigung mit seinen Jüngern das Abendmahl gefeiert.
Ich weiß nicht, ob nun die drei Recht haben oder Johannes, oder ob beides an diesem Abend stattgefunden hat. Es ist eigentlich auch völlig egal. Beides gehört in dem Punkt zusammen: Jesus stiftet ein Gedächtnis an sich sebst. Ein Erinnerungszeichen, das kein Weltrekord ist und keine großartige Leistung in unserem Sinn. Sondern ein Erinnerungszeichen, das uns daran erinnert Er will unser Diener sein. Er will sich ganz klein machen. Und in Brot und Wein gibt er uns Anteil an seinem eigenen Leiden und Sterben.
Wirklich verstehen können wir das nicht, glaube ich. Nur annehmen, empfangen und versuchen, Gottes Nähe zu spüren in Brot und Wein. Und wir können uns ein Beispiel nehmen an Jesus, wenn wir wieder von hier weggehen. Wir könenn aufeinander in Liebe zugehen, auch auf die Menschen, die wir nicht so mögen. Wir könenn sie wahrnehmen, ihre Bedürfnisse, ihre Hoffnungen und Wünsche.
Jesus sagt:34 Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebhabt.
35 Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alles unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.