Predigt am Sonntag Septuagesimae: Barmherzig leben

Liebe Gemeinde!

Ach, die Geschichte kenn ich doch! Das ist doch die mit dem kleinen Zöllner, Zachäus, der auf einen Baum stieg und dann sein Leben geändert hat. Ungefähr so war meine erste Reaktion, als ich den Predigttext für heute zum ersten Mal kurz überflog.

Aber nein: Das ist sie ja gar nicht! Es geht hier nicht um den Zöllner Zachäus. Es geht möglicherweise überhaupt nicht um einen Zöllner, denn der Evangelist Matthäus schreibt nur: „Jesus sah einen Menschen am Zoll sitzen“. Ob der Zöllner war oder nur zufällig gerade da herumsaß – das wird gar nicht beschrieben. Nur das wissen wir von ihm: Jesus sagte „Folge mir!“ - und er folgte ihm nach. Ja, natürlich liegt es nahe, dass dieser Matthäus ein Zöllner war. Und dass Jesus, ähnlich wie bei der Geschichte von Zachäus, bei ihm eingekehrt ist. Aber sicher ist es in dieser Geschichte nicht. Denn der heutige Predigttext legt seinen Schwerpunkt ganz woanders. Heute geht es um diese durchaus wichtige Frage der Pharisäer: „Warum geht Jesus zu den Zöllnern und Sündern und nicht zu uns? Hätten wir es nicht viel mehr verdient? Ständig haben wir uns angestrengt, unser ganzes Leben dem Glauben und Gott gewidmet, und dann kommt dieser Wanderprediger daher und – lässt uns links liegen. Das kann doch nicht sein. Stattdessen geht er zu denen, die sich von Gott entfernt haben. Zu den Sündern. Zu den Zöllnern, die gemeinsame Sache mit den verhassten Römern machen.
 

Wir Esel - Predigt Heiligabend 2012

Liebe Gemeinde!

So ein Esel! Wie kann er nur sagen: „Das ist mein Stall!“ - und will keinen Platz machen, ausgerechnet für Jesus! Wie kann er nur – so denken wir.
Aber stellt euch mal vor: Heute abend, mitten in der Bescherung, klingelt es an der Tür, ein Mann und eine hochschwangere Frau stehen davor und fragen, ob sie bei euch übernachten dürfen. Würdet ihr euer Schlafzimmer für die beiden hergeben? Heute Nacht woanders schlafen, bei der Schwester, beim Bruder oder vielleicht bei den Eltern? Also, ich weiß nicht. Für wildfremde Menschen, die da plötzlich an der Tür stehen?

Predigt beim MWG am 11.11.12: Anders leben!

 Ansprache beim MehrWegGottesdienst am 11.11.2012 „anders leben“

Lukas 10, 17-22 Die Gefahr des Reichtums (»Der reiche Jüngling«)
17 Und als er sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?
18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.
19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.«
20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.
21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!
22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.

Anders leben: So lautet unser Thema heute. Was heißt das eigentlich für uns? Ich glaube, vielen geht es so: Wir haben Sehnsüchte und Wünsche, wie unser Leben aussehen könnte. Und die gehen weit darüber hinaus „Ach, hätte ich doch mehr Geld, dann könnte ich ...“ Eher vielleicht „hätte ich mehr Zeit“ oder „hätte ich mehr Freiheit“.

Einer hat sein Leben radikal verändert. Heute, am Martinstag, denken wir an ihn. Ich meine gar nicht so sehr die Geschichte, wie er seinen Mantel mit dem Bettler teilte. Sondern dass er, der durchaus wohlhabende Offizier, sein ganzes Leben an den Nagel hängte und ein Kloster gründete, ganz arm lebte.

Es muss nicht unbedingt dieses arme Leben sein, nach dem wir streben. Obwohl es manchmal auch eine gewisse Anziehungskraft hat, sich einfach von allem frei zu machen. Anders leben: Was heißt das eigentlich?

Irgendwie das eigene Leben verändern. Sinn finden statt Terminen hinterherrennen. Freude statt Ärger. Lust statt Frust. Anderen etwas bedeuten. Spaß haben ...

Apropos Spaß haben. Heute feiern wir ja auch Faschingsanfang. Eine kleine Möglichkeit, mitten im normalen Alltag doch mal auszubrechen. Anders zu leben. Jemand anderen darzustellen. Auch mal die üblichen Regeln des Zusammenlebens beiseitezulassen, über die Stränge zu schlagen. Na ja, das ist zwar ganz schön, hinterlässt aber doch oft einen schalen Geschmack, einen Kater und das Gefühl: Lebenserfüllend war das jetzt wohl nicht. Kein wirklich neuer Entwurf für ein besseres Leben. Nur ein bisschen Spaß, so wichtig der auch ist.

Anders leben: Neue Wege gehen. Ein paar neue Wege haben wir Ihnen im ersten Teil des Gottesdienstes vorgestellt. Nach welchen Änderungen sehnen Sie sich für Ihr eigenes Leben? Und was hindert Sie, diese Änderungen auch durchzuführen? Wo finden Sie vielleicht Verbündete für Ihre Pläne? Was ist, auf der anderen Seite, auch gut so, wie es ist?

Anders leben: Auf dem Plakat stand auch „anders feiern“. Wir feiern Gottesdienst – doch auch den anders als üblich. Im MehrWegGottesdienst ist Platz für Ihre eigenen Gedanken, Wünsche, Sehnsüchte. Platz auch für Zweifel und Fragen. Für Segnen und gesegnet werden. Vielleicht gehört zum „anders leben“ auch dazu, dass Sie hier mit anpacken wollen? Unser Team könnte ein wenig Verstärkung gebrauchen, auch die Werbung müsste breiter gestreut werden.

Anders leben: Manchmal sind es große Ziele, die wir haben. Das ganze Leben umkrempeln. Alles neu machen. Manchmal sind es vielleicht auch nur Kleinigkeiten wie „ich will jeden Tag fünf Minuten früher aufstehen und einen Satz aus der Bibel lesen“ oder „ich will zwei Kilo abnehmen“ oder „ich will etwas mehr für einen guten Zweck spenden“. Das ganz große Ziel erscheint uns manchmal einfach zu groß. So wie es dem jungen Mann in der Geschichte erging, die ich gerade vorgelesen habe. Dem war dieses „verkaufe alles, was du hast“ einfach zu groß. So geht's uns sicher auch manchmal mit diesem „anders leben“. Da ist mir ein Satz aus der Geschichte besonders wichtig geworden. Einer, den man beim Lesen einfach überhören könnte. Da heißt es nämlich über Jesus und den jungen Mann: Jesus gewann ihn lieb. Auch, wenn Jesus wusste: Der kann sich nicht von allem lösen. Der kann nicht komplett anders leben. Noch bevor Jesus seine Forderungen an den jungen Mann formuliert, heißt es da: Jesus gewann ihn lieb.

Das heißt: Auch, wenn wir hinter unseren eigenen Forderungen, was das „anders leben“ angeht, zurückbleiben: Jesus hat auch uns lieb. So, wie wir sind. Auch, wenn wir manchmal zu schwach sind, alles zu tun, was wir gerne tun würden.

Aber: Wir sind viele. Sehr viele. Und ich glaube: Gemeinsam könnten wir viel mehr erreichen. Ungefähr ein Drittel aller Menschen auf der Welt gehört dem Christentum an. Anders leben: Das bedeutet für mich auch, dass wir gemeinsam noch viel mehr daran arbeiten müssen, diese Welt zum Besseren zu ändern. Hier, bei uns vor Ort. Aber genauso auch weltweit. Damit die ganze Welt anders leben kann. Freier. Gerechter. Ohne Hunger und ohne Not.

Amen.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum

Ansprache beim Schulanfangsgottesdienst der Landwirtschaftsschule, 22.10.2012

Liebe Schülerinnen und Schüler der Landwirtschaftsschule, liebe Lehrerinnen und Lehrer!

Erst einmal meine herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag! 90 Jahre gibt es diese Schule nun schon. Und das Motto, unter dem Sie den Geburtstag feiern, zeigt, worauf es ankommt: „Haupt-Sache Bildung“. Ich weiß nicht, wie das damals war, als diese Schule gegründet wurde. Aber ich weiß: Gerade auch in der Landwirtschaft ist Bildung etwas grundlegend Wichtiges. Zu wissen, wie Pflanzen richtig angebaut werden. Wie die Arbeit organisiert werden kann. Wie die Tiere gepflegt werden müssen. Und natürlich auch das ganze Thema Verwaltung und Finanzen, auch das ist wichtig.

Predigt beim MehrWegGottesdienst 22.7.2012: Wasser!

 Amos 5,24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Hat hier noch jemand Durst? Noch einen Schluck Wasser irgendjemand? Wer jetzt noch nicht genug getrunken hat, ist wirklich selber Schuld. Übrigens, die Toiletten sind da in diesem Seitenturm.

Ganz ehrlich: Irgendwann ist es auch wieder genug mit dem Wasser. Für heute haben wir auch ziemlich gezittert, ob das Wetter hält. Und an anderen Tagen ist es wieder zu wenig. Genau richtig viel scheint es ja nicht zu geben.

Bei der Vorbereitung hatten wir aber doch ein ziemlich seltsames Problem. Das Thema „Wasser“ ist so allgegenwärtig in unserem Leben und so selbstverständlich fast immer vorhanden, dass es uns schwer gefallen ist, es wirklich so auf unser Leben zu beziehen, dass das klar wird: Wie wichtig es ist. Wie zentral. Dass wir ohne Wasser gar nicht leben könnten. Was es für eine Wohltat ist – und dann auch wieder was für eine Bedrohung, wenn der Main über die Ufer tritt oder ein Tsunami ganze Regionen überschwemmt. Wie existentiell bedrohlich schon ein Wasserrohrbruch sein kann – denken wir an das Café, das mal am Eingang der Stadtgalerie war und dann schließen musste.

Wasser und Verantwortung

Wort in den Tag - Radio Primaton 12.7.2012

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Wasser! Heute schon damit in Berührung gekommen? Was für ein wichtiges Element. Bei uns, hier in Deutschland, ist es jeden Tag ganz selbstverständlich verfügbar. Je nach Statistik verbrauchen wir ungefähr 120 bis 160 Liter am Tag. Pro Person.

Neulich habe ich mit einer Frau aus Kenia gesprochen. Dort brauchen sie gerade mal 13 Liter am Tag. Und manche Experten prophezeien: Die nächsten Kriege werden um's Wasser geführt werden.

Natürlich hilft es niemandem dort, wenn wir hier jetzt auf einmal Wasser sparen. In Afrika wird's deswegen auch nicht nasser. Aber wir können uns daran erinnern, wie gut es uns geht. Und das als Ansporn nehmen, für mehr Gerechtigkeit in der Welt einzutreten. Das haben auch die Propheten in der Bibel immer wieder gefordert. Ausgerechnet mit einem Vergleich aus der Wasserwelt sagt es Amos: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ Lassen Sie uns daran arbeiten. An einer gerechteren Welt mit genug sauberem Wasser für alle.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute genug von allem haben, was Sie zum Leben brauchen.

 

Wagenkirche mit Bischof 3: Soziale Frage und Ökumene

Ja, Herr Bischof, jetzt sind sie schon eine gute Stunde mit einer halb evangelischen Kirche unterwegs. Ist das für sie so was wie eine Bußübung?

Bischof…

Wir beide spinnen ja ein bisschen. Wir verstehen das auch als Ausgleich für manche theologischen Spinnereien. Wünschen sie sich manchmal mehr Mut in der Ökumene?

Bischof…

Wir stehen jetzt hier vor dem Hugendubel, weiter vorne ist die Vogelbuchhandlung, am Anfang standen wir bei Collibri. Quizfrage: Welches der drei folgenden Bücher kennen Sie? Mathias Mattussek/ Das katholische Abenteuer;
Tilmann Haberer/ Gott 9.0 Wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird
Roland Breitenbach/ Der kleine Bischof
Welches haben sie gelesen?

Was würden sie einem, der sucht, als Lektüre empfehlen? Oder sollte der was anderes machen?

Jetzt stehen wir hier vor dem dritten oder gar vierten Cafe. In Würzburg gibt es einen Pfarrer, der jede Woche mindestens eine Stunde in das Stehcafe der Bäckerei gegenüber geht und einen Cafe trinkt und für die Leute da ist. Sollte man Pfarrern nicht mindestens eine Stunde Aufenthalt und Gespräch in einem Cafe wöchentlich verordnen? Weil Cafe können die meisten ja trinken, aber meistens in irgendwelchen Konferenzen und Sitzungen.

Bischof…

Die Quizfrage: Welcher bekannte Schweinfurter wird noch heute mit dem Begriff Papa verbunden?

 

Bischof for president?

Unter den Kandidatinnen und Kandidaten, die zurzeit so für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt werden, sind ja eine ganze Menge evangelische Theologen und in der evangelischen Kirche engagierte Menschen: An erster Stelle natürlich Joachim Gauck, ehemals Pfarrer in der DDR. Dann wäre da der ehemalige Bischof Wolfgang Huber. Dazu noch Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der EKD, und Margot Käßmann, ehemalige EKD-Ratsvorsitzende.

Manche rufen jetzt entsetzt: Wo bleibt da die Trennung von Staat und Kirche? Warum mischt sich die evangelische Kirche so ein? Wir fühlen uns als Atheisten (Buddhisten, Katholiken, ...) nicht ausreichend vertreten von so jemandem.

Die Kinder und das Licht der Welt

Predigt am Heiligen Abend 2011 - Familiengottesdienst
Schonungen, 24.12.2011

Text: Jes 9, 1-6*

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.

Liebe Gemeinde!
„Das Christuskind mit seinem Schein erhellt die dunkle Nacht“, so haben die Kinder gerade am Schluss ihres Krippenspiels gesungen. Und jetzt geht es auch in unserem Predigttext darum: Ums Licht. „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht“.

Eurokrise, Teufel und das Reich Gottes

Predigt am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr 2011

Schonungen, 6.11.2011

Text: Lk 11, 14-23
Und er trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich. Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten. Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andre. Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul. Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

Liebe Gemeinde!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie diesen Predigttext gehört haben. Ich bin in Gedanken erst einmal an den Sätzen über das Reich, das mit sich selbst uneinig ist, hängen geblieben. Und musste natürlich an Europa und die aktuellen Probleme in der Eurozone denken. Ja: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andere. Hoffen wir mal, dass es nicht so weit kommt, dass Europa verwüstet wird, das vermutlich nicht. Aber dass die Uneinigkeit der Politiker dazu führt, dass Europa in große Schwierigkeiten gerät: Das auf jeden Fall.

Nun nimmt ja Jesus aber dieses Beispiel nicht für etwas „Gutes“, das vernichtet wird. Leider muss ich Ihnen sagen: Nicht nur in Europa ist zur Zeit alles ziemlich kompliziert, sondern auch in unserem heutigen Predigttext. Also fangen wir von vorne an. Jesus heilt einen stummen Menschen, der fängt wieder an zu reden. Schön! Freuen könnte man sich darüber. Es geht ihm gut! Er kann wieder sprechen! Aber nein, so sind wir Menschen nicht. „Zauberei!“ schreien einige. „Der muss mit dem Teufel im Bund sein!“ Anscheinend trauen sie dem Teufel mehr zu als Gott. Seltsam. Und mit dem Beispiel, das Jesus nun bringt, von dem Reich, das mit sich selbst uneinig ist, führt Jesus ihnen vor, wie unsinnig das ist. Egal, was hinter dieser Heilung steht – freuen können sie sich auf jeden Fall. Wenn Jesus tatsächlich den Teufel mit Beelzebul austreiben soilte, können sie sich freuen, denn das heißt ja: Das Reich des Teufels ist mit sich selbst uneins und dadurch gewaltig geschwächt. Die Aktien des Teufels fallen ins Bodenlose. Er ist pleite. Ist doch super.

Der nächste Satz von Jesus ist ein wenig rätselhaft, das gebe ich zu: „Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein.“ Offenbar gab es zur Zeit Jesu noch mehr Menschen, die heilten und „Geister austrieben“, wie man das damals nannte. Aber eigentlich ist das für unseren Text auch gar nicht so wichtig. Jesus sagt nämlich weiter: Wenn ich nicht durch Beelzebul die Geister austreibe, dann muss es doch wohl in Gottes Auftrag sein – und dann ist das Reich Gottes zu euch gekommen. Hier ist es, da, wo ich bin! Ein Zeichen vom Himmel fordert ihr? Hier ist das Zeichen – ich bin es selbst! Schaut euch doch um: Lahme gehen, Blinde sehen, den Armen wird das Evangelium gepredigt. Hier, wo ich bin, da ist das Reich Gottes! Und das heißt dann auch: Dieses Reich des Teufels, von dem ihr immer redet: Das hat nicht gut Lachen. Denn Gott ist der Stärkere. Sein Reich ist angebrochen. Das Ende des Reichs des Bösen ist nahe.

Bleiben für uns noch zwei Fragen zu klären: Die eine: Gibt es den Teufel überhaupt? Und die andere: Wenn Gottes Reich schon damals angebrochen ist, warum merken wir auch 2000 Jahre später so wenig davon?

Erst einmal zum Teufel. Die Bibel redet davon so selbstverständlich, wie sie auch etwa von bösen Geistern redet, die Menschen befallen. In der damaligen Vorstellungswelt war das etwas völlig Logisches. Für uns scheint es irgendwie weit hergeholt. Wir tun uns ja manchmal schon schwer mit der Frage, ob Gott überhaupt existiert. Auf der anderen Seite: Das Interesse an Engeln ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Gute, himmlische Mächte, die ein Auge auf uns haben: Ja, das sehen wir gerne. Ganz ganz viele Eltern suchen für ihre Kinder den Taufspruch aus: „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“. Aber böse Mächte? Da sträuben wir uns irgendwie. Das können wir nicht so annehmen.

Vielleicht müssen wir das ja auch nicht. Der „Teufel“ muss nicht unbedingt eine Person sein. Aber dass es das Böse gibt, das müssen wir zugeben. Und dass es eine ganz eigene Dynamik entwickeln kann, wissen wir alle. Wer hat sich nicht schon mal in einem ganzen Gebilde von Lügen verstrickt – ein ganz einfaches Beispiel. Viele Dinge sind aber viel komplexer und gar nicht so leicht zu durchschauen. Wir kaufen billige Klamotten im Angebot, weil wir uns ja die teuren Sachen gar nicht leisten können. Und irgendwie im Hinterkopf wissen wir schon, dass jemand anderes auf der Welt den Preis dafür bezahlt. Wenn wir ein T-Shirt für 4,95 kaufen, dann bedeutet das: Baumwollpflückerinnen in Indien, die für einen Hungerlohn 12 Stunden und mehr arbeiten und von den Pestiziden krank werden. Näherinnen, denen es nicht besser geht. Wenn wir E10 tanken in der guten Absicht, einen höheren Anteil Biosprit zu verwenden, kurbeln wir damit die Spekulation mit den Getreidepreisen an. Und irgendwo anders auf der Welt kann sich jemand das lebensnotwendige Getreide nicht mehr leisten und verhungert.

Sachzwänge, sagen wir gern. Die halten uns gefangen. Sie entwickeln fast schon so etwas wie eine eigene Persönlichkeit. Der Teufel? Ja, ich denke, so kann man das auch nennen.
Aber eigentlich dachte ich, dieser Teufel wäre mittlerweile besiegt. Sagt Jesus doch. Also unsere zweite Frage: Warum wird es nicht besser auf der Welt? War Jesus nur so eine Art Demoversion vom Reich Gottes? Hat er überhaupt etwas verändert?

Ja und nein. Ja: Er hat etwas verändert. Und nein: Es war doch erst einmal nur örtlich begrenzt. Wie viele hat er wohl geheilt? Lassen wir es ruhig 1000 Menschen sein. Und wie viele hätten seiner Heilung bedurft? Hunderttausende? Millionen? Wie viele bräuchten heute seine Heilung? Eher Milliarden, die auf ein menschenwürdiges Leben hoffen und denen es die teuflischen Lebensumstände nicht erlauben.

Also: Wo ist das Reich Gottes? Die Antwort darauf ist auch nicht so einfach, und irgendwie ist sie es doch: Es ist mitten unter uns. Da, wo wir es zulassen. Da, wo wir uns gegen die Einflüsse des Teufels stemmen, ob wir ihn nun als Person ansehen oder eher als etwas Abstraktes. Da, wo wir uns für eine gerechtere Welt einsetzen. Da, wo wir aufeinander achten. Da, wo wir Jesu Botschaft von Gottes Liebe weiterverbreiten. Zugegeben: Auch die Kirche hat da in den letzten 2000 Jahren manches falsch gemacht. Statt Liebe und Gerechtigkeit hat sie oft Macht, Angst und Unterdrückung verbreitet. Aber ich glaube: Wir sind heute auf einem guten Weg. Das Reich Gottes ist unter uns. Aber es ist nicht nicht vollkommen da. Das wird es erst am Ende der Welt sein. Auch, wenn das noch Tausende oder gar Milliarden von Jahren dauern sollte. Bis dahin lassen Sie uns daran arbeiten, dass es sichtbar wird unter uns.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.