Predigt: Entschuldigung!

Predigt am Buß-und Bettag 2016

16.11.2016, Kreuzkirche Oberndorf

Text: Röm 2, 1-11

1 Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. 2 Wir wissen aber, dass Gottes Urteil zu Recht über die ergeht, die solches tun. 3 Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? 5 Du aber, mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen, häufst dir selbst Zorn an für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, 6 der einem jeden geben wird nach seinen Werken: 7 ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben; 8 Zorn und Grimm aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit; 9 Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die das Böse tun, zuerst der Juden und auch der Griechen; 10 Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die das Gute tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen. 11 Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott. 

Liebe Gemeinde!

Entschuldigen Sie bitte, das ist jetzt wirklich blöd. Ich hatte diesen Gottesdienst völlig vergessen. Ist mir erst heute früh aufgefallen. Und jetzt hab ich keine Predigt. Ich kann mich nur dafür entschuldigen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Nein, natürlich nicht. Kurz war ich versucht, das wirklich so stehen zu lassen. Das ist immer mein Alptraum: Eine wichtige Sache völlig zu vergessen und dann ganz unvorbereitet dazustehen. Dabei will ich‘s doch nach Möglichkeit gut machen und nicht einfach so irgendwas dahersagen.

Haben Sie schon mal irgend etwas so richtig vermasselt? Als Pfarrer hat man da unendliche Möglichkeiten. Trauungen oder Beerdigungen vergessen. Die Namen der Brautleute verwechseln. Ach, in anderen Berufen geht das auch. Und zu Hause in der Familie sowieso.
Irgendwann sind dann am Ende zwei oder mehr Leute tödlich beleidigt, reden vielleicht nicht mehr miteinander. Manchmal ein ganzes Leben lang. Oder es ist ein anderer Schaden entstanden, der nicht mehr wieder gutzumachen ist. Und dann?

Ganz einfach: wir sagen: „Entschuldigung!“ und gut ist.
Oder doch nicht?

Auch unsere Sprache hat sich da geändert. Früher sagte man nicht: „Ich entschuldige mich“, sondern „ich bitte um Entschuldigung“. Sich selbst ent-schuldigen, also von der Schuld freisprechen: Das können wir eigentlich nicht. Das können nur die, die mein Fehler betrifft. Oder natürlich: Gott. 

Und unser Predigttext beginnt gleich damit: du kannst dich nicht entschuldigen! Du selber kannst das überhaupt nicht. Wenn dir das nicht von außen zugesprochen wird, dann wirst du diese Schuld nicht los.

Aber eigentlich geht es in unserem Text um etwas ganz anderes. Im Kapitel davor hatte Paulus über die ganzen Ungläubigen und Sünder gewettert und man konnte so richtig hochnäsig auf diese schlechten Menschen herunterschauen. Hören Sie sich mal an, was Paulus da vor unserem eigentlichen Predigttext so schreibt:

28 Und wie sie es für nichts geachtet haben, Gott zu erkennen, hat sie Gott dahingegeben in verkehrten Sinn, sodass sie tun, was nicht recht ist, 29 voll von aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit, voll Neid, Mord, Hader, List, Niedertracht; Ohrenbläser, 30 Verleumder, Gottesverächter, Frevler, hochmütig, prahlerisch, erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam, 31 unvernünftig, treulos, lieblos, unbarmherzig. 32 Sie wissen, dass nach Gottes Recht den Tod verdienen, die solches tun; aber sie tun es nicht nur selbst, sondern haben auch Gefallen an denen, die es tun.

Tut gut, selber zu den Guten zu gehören. Wir Christen sind besser und nicht solche sündigen Menschen wie die, auf denen Paulus da rumhackt. Denken Sie doch auch, oder? Ich musste an die Kommentare nicht nur hier in Deutschland denken über diese ach so dummen Trump-Wähler in den USA. Ich musste auch an die AfD denken und daran, dass wir als Kirche sehr deutlich sagen: Die Fremdenfeindlichkeit und der Rassismus, der da transportiert wird, der geht für Christen überhaupt nicht!

Trotzdem gibt es Christen, die einige Positionen der AfD gut finden. Vielleicht gehören Sie auch dazu, ich weiß es nicht. In den Diskussionen erlebe ich manchmal auch so eine Einstellung „Wir sind was Besseres. Wir haben den Durchblick, ihr seid ja sowieso nur die Versager, die den einfachen Lösungsversprechen nachrennen.“ 

28 Und wie sie es für nichts geachtet haben, Gott zu erkennen, hat sie Gott dahingegeben in verkehrten Sinn, sodass sie tun, was nicht recht ist, 29 voll von aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit, voll Neid, Mord, Hader, List, Niedertracht;

Und so weiter. Die ja, aber wir nicht.
Und dann schreibt Paulus etwas ziemlich Schockierendes: 

1 Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. 

Also auf gut Deutsch: Ihr seid doch alle um keinen Deut besser! Ihr seht den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge! Es hilft überhaupt nichts, von oben herab die anderen zu richten und darauf zu schauen, was die alles falsch machen.
Ihr seid überhaupt nicht besser. Ihr tut genau dasselbe, nur merkt ihr es gar nicht. Denkst du, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? .

Das ist eine direkte Frage. An Sie. Von Paulus. Denkst du, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? Denkst du, dass du dich selber ent-schuldigen kannst?

Da sind wir nun natürlich wieder bei Luther. Wir sind gerecht allein aus Gnade, allein durch den Glauben, allein durch Christus. Paulus meint das gleiche wie Luther, er drückt es aber anders aus:  

4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?

Und damit sind wir bei dem, was den heutigen Buß- und Bettag ausmacht. Die Buße. Was heißt das eigentlich? Es heißt: Zurückblicken auf die eigenen Fehler, das eigene Versagen. Die Momente, in denen ich nicht den Willen Gottes getan habe. Die Momente, in denen ich nichts getan habe, obwohl meine Hilfe nötig gewesen wäre. 

Buße ist schwierig. Denn das heißt nicht einfach: Ich ent-schuldige mich selbst, sondern ich vertraue es einem anderen an. Ich vertraue Gott an, was mich belastet, was mein Leben aus dem Gleichgewicht bringt. Und sage: Entschuldige du mich, mein Gott. Ich will mein Leben ändern. Ich will mich bessern. Wahrscheinlich werde ich trotzdem immer wieder versagen, aber ich will‘s wenigstens versuchen, mein Gott. Lassen Sie‘s uns einfach gemeinsam versuchen. Lasst uns nach dem nächsten Lied alles das vor Gott bringen, was uns belastet und sagen: Gott, ent-schuldige uns. Und dann lasst uns frei und fröhlich und gestärkt durch das Abendmahl hinausgehen und diese Welt zu einem besseren Ort machen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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