Predigt: gut fundamentalistisch

Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis
Schwebheim, 5.9.2014

Liebe Gemeinde!

Es war einmal vor langer Zeit in einem kleinen, fernen Dekanat namens Windsbach. Dort hatten sich mit Unterstützung des Dekanatsjugendreferenten einige Jugendliche zusammengetan, um die in der Ordnung der Evangelischen Jugend in Bayern vorgesehenen Strukturen aufzubauen. Ein Dekanatsjugendkonvent wurde einberufen, so etwas wie die Dekanatssynode der Jugendlichen. Aus fast allen Gemeinden kamen Jugendliche. Ein Leitender Kreis und ein Vorsitzender wurden gewählt. Und eine Delegierte zum Landesjugendkonvent. Stolz waren die Jugendlichen, dass es nun endlich auch in ihrem winzigen Dekanat eine vernünftig aufgestellte Jugendarbeit gibt. Wie Pioniere fühlten sie sich. Und wie stolz waren sie, dass ihre Delegierte zum Landesjugendkonvent dann sogar ins höchste Gremium, die Landesjugendkammer, gewählt wurde. Dort beschäftigte sie sich mit den Projekten, die die Landesjugend jedes Jahr auf die Beine stellte – und kam ganz verwirrt wieder nach Hause: 20 Jahre früher hatte es bereits eine Evangelische Jugend im Dekanat Windsbach gegeben – und sie war damals eine der aktivsten in ganz Bayern und die, die das damalige Jahresprojekt federführend für ganz Bayern betrieben hatte. Niemand von den Jugendlichen hatte auch nur eine Ahnung von den früher so Aktiven gehabt.

Der Vorsitzende damals – das war ich. Und es war für mich eine sehr prägende Erkenntnis: Was wir tun in unseren Gemeinden, das hat nicht immer Bestand, kann aber trotzdem segensreich sein in jeweils seiner Zeit. Und vor allem: Wenn mal etwas einschläft, ist das nicht so schlimm. Das gehört dazu. Eines Tages wird sich, so Gott will, etwas Neues ergeben. Natürlich nicht von allein, es braucht schon Menschen, die sich darauf einlassen, die dieses Neue bauen und tragen.

Und manchmal muss ja umgekehrt auch etwas aufhören, damit dann was Neues entstehen kann in der Gemeinde.

Aber wem erzähle ich das. Sie hier in Schwebheim sind jetzt schon so lange in der schwierigen Situation, dass hier kein Pfarrer, keine Pfarrerin mehr zu Hause ist. Schon letzten Monat, als ich hier Gottesdienst mit Ihnen gefeiert habe, haben viele gestöhnt: „Es reicht jetzt langsam!“ Auch, wenn ich nur ein paar Kilometer weg wohne, weiß ich doch nicht sehr viel über Ihre Gemeinde. Aber ich kann mir vorstellen, dass Sie das Gefühl haben: Alles geht bergab. Nichts geht mehr vorwärts. Unsere Gemeinde ist bald am Ende.

Vielleicht hilft Ihnen meine kleine Geschichte dabei, trotzdem die Zuversicht nicht zu verlieren. Das mit dem Gemeinde bauen ist halt nicht einfach. Das wusste schon Paulus, der auf seinen Missionsreisen einige Gemeinden gegründet hatte und sie dann immer allein gelassen hat. Auch die Gemeinde in Korinth, an die unser heutiger Predigttext gerichtet ist, war gewissermaßen vakant. Und es war die Frage: Wie geht es weiter?

Im ersten Korintherbrief geht Paulus besonders auch auf Apollos ein, der offenbar versuchte, eine Front gegen Paulus aufzubauen. Wem soll die Gemeinde da folgen? Paulus versucht, so etwas wie Kriterien aufzustellen für „gute“ Missionare. Und da geht es überhaupt nicht um Paulus oder Apollos. Da geht es nur um eines: Darum, auf welchem Boden diese Gemeinde wächst. Ist es die frohe Botschaft von Jesus Christus, die hier verkündet wird? Oder ist es etwas anderes? Paulus betont: Ich habe als weiser Baumeister den Grund gelegt. Nun ist es an anderen, darauf die Gemeinde aufzubauen. Und dabei ist es wichtig, darauf zu achten, dass diese Gemeinde wirklich sozusagen aus tragfähigem Material gebaut wird. Material, das auch Anfechtungen und Feuer standhält. So schreibt Paulus an die vakante Gemeinde in Korinth:

Text: 1. Kor 3, 9-15

Denn wir (also Paulus und andere Missionare) sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. 10 Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. 11 Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird's klar machen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. 14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch.

Sozusagen um Grundlegendes geht es also dem Paulus hier. Was ist denn wirklich wichtig an unserem Glauben? Woran messen wir unsere Gemeinde? Ist es wirklich die Zahl der Gruppen und Kreise in einer Gemeinde? Die Aktivität der Mitarbeitenden, die Gottesdienstbesuchszahlen?

Ich glaube: Es geht darum, dass wir diese Grundlegung immer im Blick behalten. Das Wichtigste an unserer Gemeinde, das sind nicht wir selbst, sondern Jesus Christus. Es geht nicht darum, uns, unsere haupt- oder ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde, unsere Gemeinde als Ganzes oder was auch immer besonders toll zu repräsentieren. Sondern nur um diese Frage: Vertrauen wir auf Jesus Christus? Geben wir die Botschaft von seiner Liebe überzeugend, fröhlich, befreiend weiter? Und – verlassen wir uns selbst darauf, dass er da ist?

Ein anderes Wort für den „Grund“, den wir bei einem Hausbau legen, ist Fundament. Schnell sind wir dann bei einem anderen Wort, das heute eher abwertend gebraucht wird: Bei den Fundamentalisten. Egal, ob christlicher oder islamischer oder wie auch immer gearteter Fundamentalismus: Was wir darunter verstehen, ist eine völlig überzogene rückwärtsgewandte Position, die meist neben sich auch keine andere Meinung gelten lässt. Besonders extrem sehen wir das natürlich jetzt beim Islamischen Staat, der Andersgläubige vertreibt oder sogar ermordet.

Ich denke: Wer christlicher – und übrigens auch muslimischer – Fundamentalist im positiven Sinn zu sein versucht, für den wäre so etwas absolut undenkbar. Wer versucht, sein Leben auf Jesus Christus aufzubauen, der kann niemals einem anderen Menschen mit Hass oder Drohungen begegnen. Der wird immer versuchen, auf den anderen zuzugehen, für Frieden und Versöhnung einzustehen.

Dass das nicht immer geht, das sehen wir jetzt an der Entwicklung in Syrien und im Irak. Gegen Gewalt, die gar keine Verständigung sucht, eben gegen den Islamischen Staat, hilft dieses Konzept nicht. Was tun? Fliehen, so wie es Zehntausende von Christen und Angehörigen anderer Richtungen des Islam derzeit tun? Mit Waffen dagegenhalten? Auf diese Fragen habe ich auch keine wirklich überzeugende Antwort.

Wir hier vor Ort können im Irak sowieso nichts ausrichten. Was wir von hier aus tun können: Beten. Die Erinnerung an das Leiden unserer Glaubensgeschwister dort aufrechterhalten. Spenden für die, die dort helfen. Bei uns in Deutschland aufmerksam dafür Sorge tragen, dass unsere freiheitliche und offene Kultur erhalten bleibt.

Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Lassen Sie uns in diesem guten Sinn Fundamentalisten sein. In unserem eigenen Leben und im Leben dieser Gemeinde.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.