Predigt: Leinen los und Segen sein!

Abiturgottesdienst des Olympia-Morata-Gymnasiums Schweinfurt

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten!

Acht Jahre. Für manche vielleicht auch neun oder sogar zehn. Für manche, die zwischendurch dazukamen, auch kürzer: Eine lange Zeit haben Sie hier an dieser Schule verbracht. Können Sie sich noch daran erinnern, wie das war? Ganz am Anfang? Damals, mit ungefähr zehn Jahren, als Sie hier zum ersten Mal durch die Tür kamen, als Sie Ihre neue Klasse suchten, als Sie nicht wussten, ob Sie Freunde finden würden und wie die dann so sind.

Acht Jahre, noch gar nicht so lange her und doch wie von einer anderen Welt. Diese Schule, so hoffe ich, ist für Sie zu einem Hafen geworden. Zu einem Ort, an dem Sie sich wohl fühlten, na ja, vielleicht außer bei Schulaufgaben und bei manchen Lehrern. Jedenfalls: Ein vertrauter Ort. Ein Hafen. Eine Schiffscrew, die über die Jahre zusammengewachsen ist, trotz aller Konflikte, die sicher auch dazugehörten. 

Noch liegt das Schiff im Hafen, sicher vertäut. Aber die Vorräte sind gepackt, die Segel sind gesetzt. Beim einen ist der Kurs schon minutiös durchgeplant, bei der anderen nur so Pi mal Daumen irgendwie angedacht. Aber wie auch immer: Jetzt heißt es „Leinen los!“

Was wird auf Sie zukommen in Ihrem Leben? Welchen Herausforderungen werden Sie sich stellen müssen, was wird ganz leicht von der Hand gehen? Ab heute gehen Sie Ihre eigenen Wege. Ab heute ist dieser Hafen „OMG“ für Sie nur noch Erinnerung. Und wenn Sie sich mal wieder treffen, wird wahrscheinlich der eine oder die andere fehlen, nicht können oder auch keine Lust haben. 

Welche Ziele haben Sie? Wohin möchten Sie mit Ihrem Lebens-Boot fahren? Und damit meine ich sowohl die Orte auf der Welt, die Sie ansteuern wollen, als auch immaterielle Ziele, die Sie erreichen wollen. Werden Sie eines Tages den Hafen finden, in dem Sie wirklich glücklich sind? Werden Sie eine Heimat finden, irgendwo? Werden Sie Erfolg haben im Beruf? Wird es eine Beziehung geben, die Ihr ganzes Leben prägt und begleitet?

Wohin wird Ihr Lebens-Boot steuern? Für Sie, die Abiturientinnen und Abiturienten, hat das Vorbereitungsteam diese kleinen Boote zur Erinnerung vorbereitet. Die werden wir jetzt herumgeben. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, darüber nachzudenken: Welche Ziele habe ich? Und Sie, die Eltern und Großeltern, die Freunde, frage ich: Welche Ziele hatten Sie mal? Welche haben Sie noch? Was haben Sie erreicht, was vielleicht auch nicht, und welches Ziel hat sich als gar nicht so erstrebenswert herausgestellt? Wollen Sie nochmal aufbrechen oder ist es gut, da wo Sie jetzt sind?

(Boote verteilen, dazu Stille)

Eigentlich hatte ich ja geplant, jetzt einen Bibeltext vorzulesen, der irgendwas mit Wasser und Booten zu tun hat. Vielleicht die Stelle, wie Jesus den Sturm stillt. Eine ganz fantastische Geschichte voller Kraft und Vertrauen. Aber die Geschichte können Sie immer noch dann nachlesen, wenn Ihr Lebens-Boot mal in ein schweres Unwetter geraten ist. Heute, da geht es um Aufbruch. Und jetzt raten Sie mal, was für ein Text für den morgigen Sonntag als Predigttext in der evangelischen Kirche vorgeschlagen ist. 

Es ist die Geschichte von Abram, der erst später noch die zusätzliche Silbe in seinen Namen bekam und dann Abraham hieß. Der Predigttext für morgen steht sozusagen ganz am Anfang. Abram ging es gut, er war verheiratet, hatte einen gut funktionierenden landwirtschaftlichen Betrieb. Und dann das:

1. Mose 12, 1-4a
Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.
4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm.

Geh! Brich auf! Lass alles hinter dir! Mach die Leinen los, stich in See! Viel Unsicherheit ist gerade am Anfang da. Wie wird das werden? Kann ich das? Werde ich den Anforderungen genügen? Bin ich überhaupt gerüstet für den Weg? Was ist, wenn Sturm aufkommt?

Gott mutet es dem Abram einfach zu. Er sagt: Geh! Geh aus deinem Vaterland in ein Land, das ich dir zeigen werde. Für Zweifel ist da erst einmal kein Platz. Jedenfalls berichtet die Bibel davon nicht. Da steht einfach nur: Da zog Abram aus, wie der HERR ihm gesagt hatte. Wow. Was für eine Zumutung von Gott – und was für ein Vertrauen von Abram, dass Gott es schon gut mit ihm meinen wird.

Aber dazwischen steht noch etwas sehr, sehr wichtiges. Etwas, das diese ganze Zumutung des Abschieds und Neubeginns in einem anderen Licht erscheinen lässt. Da steht nämlich dieser Satz Gottes: Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein. 

Und dieser Satz – der gilt natürlich auch für Sie. Für Sie, die Sie heute nach dem Abitur aufbrechen. Aber auch für Sie, die Sie heute Ihre Kinder, Enkel, Freunde begleiten. Gott spricht: Ich will dich segnen. Ich will mit meinem Segen um dich sein und dich begleiten. Nein, das heißt nicht, dass er alle Unwetter beiseiteschieben wird. Das heißt leider nicht, dass es in Ihrem Leben keine Misserfolge, keine Krankheit, keine Trauer und keine Abschiede gibt. Aber es heißt: Ich, Gott, ich bin dabei. Ich gebe dir Rückenwind. Ich verlasse dich nicht. Du bist niemals allein.

Und dann noch dieser zweite Teil: Du sollst ein Segen sein. Das ist zum einen auch ein Versprechen Gottes: Gott will durch Sie in der Welt wirken. Segensvoll. Gott will durch Sie die Welt schöner, besser, segensvoller machen. Es ist aber auch ein Auftrag: Du sollst ein Segen sein. Du sollst einen Unterschied machen in dieser Welt. Du zählst. 
Ich finde: Das ist ein wunderbares Versprechen, das Gott uns da gibt. Und gleichzeitig der beste Auftrag, den es geben kann: Segen sein. Also Leinen los – und ab mit Ihnen, hinaus in die Welt. Ihr sollt ein Segen sein. 

Amen.