überraschend neue Chancen: Predigt beim Schulschlussgottesdienst der Landwirtschaftsschule

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrkräfte, liebe Eltern, alle, die heute hier sind!
Ich mache das mit den Gottesdiensten an dieser Schule ja schon seit 15 Jahren und immer wieder ging es darum, wie viele Probleme es in der Landwirtschaft gibt. Welche Sorgen Sie haben. Wie viele Vorschriften Sie befolgen müssen. Und dass das alles gar keinen Spaß mehr macht.

Ja, das kann ich absolut nachvollziehen. Das geht doch schon seit ewigen Zeiten so. Die Kleinen geben auf, nicht erst seit letztem Jahr, seit Jahrzehnten geht die Zahl der Betriebe zurück. 

Ist doch klar, dass irgendwann das Fass überläuft. Dass es Ihnen reicht. Mit diesen ganzen Vorschriften und Beschränkungen kann man doch kaum noch ordentlich arbeiten. 

Tja. Was soll ich Ihnen denn da heute sagen?

Sie sind gut ausgebildet für Ihren Beruf.

Sie haben Lust darauf, das zu machen.

Sie haben sich mit unterschiedlichen Ansätzen beschäftigt, waren letzte Woche in verschiedenen Ländern, um zu sehen, wie woanders mit den Krisen unserer Zeit umgegangen wird.

Und Sie haben sich einen positiven Spruch ausgesucht für Ihre Abschiedsfeier: Chancen multiplizieren sich, wenn man sie ergreift.

Sie wollen nicht klagen. Sie wollen die Chancen sehen. Sie wollen für die Natur, für die Menschen, für Ihre Betriebe, für alle das Beste. Und davon halt auch noch leben können.

Was würde Jesus tun, frage ich mich. Würde er mit Ihnen auf die Demos gehen? Oder was ganz anderes?

Mich fasziniert an vielen Geschichten um Jesus, dass er am Ende oft einen überraschenden Ausweg findet. Etwas, was niemand auf dem Schirm hatte, was die Leute zum Nachdenken bringt.

Wir stecken so oft in so vielen Zwängen drin. Wir sehen oft nur eine oder maximal zwei verschiedene Möglichkeiten.

So, wie eine bekannte Geschichte von Jesus, die Sie im Abschlussgottesdienst jetzt vielleicht nicht erwartet hätten. Ich meine die von Jesus und der Ehebrecherin. Die Menschen, die Jesus nicht gut leiden konnten, hatten ein verheiratete Frau erwischt. Heute kaum noch eine Erwähnung wert, aber damals galt das alttestamentliche Gesetz, dass sie für ihre Tat gesteinigt werden muss. Der beteiligte Mann übrigens nicht, da sind wir heute zum Glück doch deutlich weiter in der Geschlechtergerechtigkeit. Aber darum solls gar nicht gehen. Sondern um die Falle, die sie Jesus damit stellen wollten. 

Jedenfalls dachten sich die Gegner von Jesus: „Jetzt haben wir ihn! Er hat ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder er sagt, steinigt sie. Dann kriegen wir ihn dran, weil er so grausam ist. Oder er sagt, lasst sie gehen, dann kriegen wir ihn dran, weil er unsere Gesetze nicht achtet.“

Und Jesus?

Er setzt sich erst mal hin und schreibt in den Sand.

Tut nichts.

Wartet ab.

Überlegt vielleicht.

Nimmt sich Zeit.

Lässt die aufgeheizte Situation abkühlen.

Und dann sagt er diesen Satz, den heute noch die meisten kennen:

„wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

Wo alle nur zwei je anders schlechte Lösungen gesehen hatten, hat Jesus nochmal eine ganz andere Antwort gefunden.

Wo alle dachten, hier gibt’s kein gutes Ende, war am Ende kein Streit mehr, keine aufgebrachte Menge, nur noch nachdenkliche Menschen.

Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die immer noch dort stand.

Er richtete sich auf und fragte:

»Frau, wo sind sie? Hat dich niemand verurteilt?«

Sie antwortete: »Niemand, Herr.«

Da sagte Jesus: 

»Ich verurteile dich auch nicht.

Geh, und lad von jetzt an keine Schuld mehr auf dich.«

Johannes 8, 9-11

Überraschende, neue Lösungen.

Antworten, die niemand erwartete.

Sich Zeit nehmen.

Den anderen sehen.

Darüber nachdenken, was ich selbst mit der Situation zu tun habe.

Chancen multiplizieren sich, wenn man sie ergreift.

Ich wünsche Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt, dass Sie diesen Blick dafür haben: Wo sind die Chancen? Was ist der richtige Weg? Welche Chancen können Sie ergreifen?

Dass Sie auch mal die Zeit haben, in den Sand zu schreiben und erst mal nachzudenken.

Und dass Sie dann die richtigen Ideen haben. Die richtigen Gedanken. Dafür, wie es mit der Landwirtschaft insgesamt gut weitergehen kann. Dafür, wie es mit Ihrem Betrieb weitergehen kann. Dafür, wie es auch für Sie persönlich weitergehen kann.

Gott segne Sie dafür.

Amen.

Bild von Greg Montani auf Pixabay