Ansprache beim Mittelaltergottesdienst 2016: „verschiedene Gaben, ein Geist“

Liebe Gemeinde, stellt euch vor, was die Schweinfurter Ratsherren sich da ausgedacht haben! Einen Gottesdienst sollen wir feiern, schön mittelalterlich. Zum Bürgerfest, wie es sich am Sonntag gehört. Aber, nicht auszudenken: Mit den Papisten zusammen! Ökumenisch nennen sie das. Mit den Papisten! Nein nein, das wird in fünfhundert Jahren nichts werden! Sicher nicht!

Aber aber, Prediger Kuschel! Was soll das denn? Können wir denn nicht gemeinsam feiern? Beten wir nicht beide zum gleichen Gott?

Meister Ziegler, Ihr hier? So sehr ich Euch als Menschen schätze: Wie könnten wir denn gemeinsam Gottesdienst feiern? Es gibt so vieles, was uns trennt. Das fängt doch schon beim Papst an. Aber vor allem natürlich euer Verständnis von Sünde und guten Werken. Als könnte ein einziger Mensch vor Gott bestehen, ganz egal, wie viel Gutes er zu tun versucht! Wir bleiben doch immer Sünder und sind auf die Gnade Gottes angewiesen.

Natürlich sind wir auf die Gnade Gottes angewiesen, Prediger Kuschel! Aber meint ihr nicht, dass das Gute, das wir tun, doch auch vor Gottes Augen etwas Wert ist?

Oh, ich glaube, da könnten wir stundenlang diskutieren. Und über viele andere Themen. Aber sagt, im Ernst: Wie sollen wir das denn hinbekommen, bei all unseren theologischen Unterschieden: Gemeinsam einen Gottesdienst feiern?

Vielleicht kann uns da der von euch Lutheranern so geliebte heilige Apostel Paulus weiterhelfen.

Ausgerechnet Paulus! Wie meint Ihr das denn? Sagt, welchen Bibelvers habt Ihr im Sinn?

Aus dem ersten Korintherbrief, Kapitel 12. Lasst mich daraus ein Stück vorlesen. Da schreibt der Apostel:

12 Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. 13 Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. 14 Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. 15 Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. 16 Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. 17 Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? 18 Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. 19 Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? 20 So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. 21 Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. 22 Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. 23 Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit mehr Anstand, 24 während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringsten Glied mehr Ehre zukommen ließ, 25 damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. 26 Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm. 27 Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. 28 So hat Gott in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt, die andern als Propheten, die dritten als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Wunder zu tun, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. 29 Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Wunder zu tun? 30 Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle solches Reden auslegen? 31 (a) Strebt aber nach den höheren Gnadengaben!

Das habt Ihr wahrlich gut ausgesucht, Meister Ziegler. Ist es so? Sind wir gemeinsam der Leib Christi? Gehören wir da genauso dazu wie Ihr?

Ja, davon bin ich überzeugt. Wir glauben doch beide an den gleichen Gott und an Jesus Christus, unseren Herrn. Nur drücken wir manches in unserem Glauben unterschiedlich aus. Wir legen mehr Wert auf unsere Traditionen. Wir glauben, dass Gott sich auch in unserer Geschichte als Kirche offenbart.

Und wir sagen: Nur die Schrift, das, was uns von den Aposteln und Evangelisten überliefert wurde, ist für uns maßgebend.

Ja, und dazu gibt es noch viele andere kleine und große Unterschiede.

Vielleicht werden manche davon irgendwann auch gar nicht mehr so wichtig sein. Ob die Menschen in ein paar hundert Jahren noch verstehen werden, worin sich unser Verständnis vom Abendmahl unterscheidet?

Wahrscheinlich wird man bis dahin ein Theologiestudium benötigen, um diese Unterschiede verstehen zu können.

… aber wer Theologie studiert hat, wird selbstverständlich nur zum lutherischen Glauben wechseln!

Ach, hört doch auf, Prediger Kuschel. Lasst uns lieber gemeinsam den Menschen das Wichtigste erzählen, was wir von Gott wissen.

Was ist das denn aus Eurer Sicht, Meister Ziegler?

Das Wichtigste ist die Liebe.

Erster Johannesbrief. „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“.

Genau das, Prediger Kuschel.

Ich fürchte, bis dahin haben wir noch einen langen Weg vor uns. Bis wir das gemeinsam verkünden können. Bei all den Streitereien, Verletzungen, gegenseitigen Verdammnissen, die zu Luthers Zeit geschehen sind.

Da haben wir auf beiden Seiten viel Schuld auf uns geladen und wenig von der Liebe gepredigt.

Und ich fürchte, das wird noch lange so weitergehen. Ob wir jemals wieder zusammenfinden werden?

Lasst uns einfach auf Gott vertrauen, Prediger Kuschel. Im Jahre des Herrn 1517 hat Euer Dr. Martinus Luther seine 95 Thesen veröffentlicht. Vielleicht dauert es ja nicht einmal 500 Jahre, bis tatsächlich ein römisch-katholischer Diakon und ein lutherischer Pfarrer gemeinsam bei einem Bürgerfest einen Gottesdienst feiern.

Sagen wir – 499 Jahre?

Das wäre dann im Jahre des Herrn 2016. Eine unvorstellbar lange Zeit für uns. Aber für Gott nur ein Wimpernschlag.

Dann lasst uns gemeinsam auf Gott und auf seine Liebe vertrauen.

Amen.

 


 

 


 

Bild entfernt.