Ansprache beim MehrWegGottesdienst: Gott kommt. Mitten ins Leben.
Gott ist immer noch nicht da.
Wie nervig.
Ja klar, es ist Advent.
Das heißt ja, Gott kommt, nicht Gott ist da.
Also warten wir halt weiter.
Warten auf Gottot. Oder so.
Ach, wärst du doch endlich da, Gott!
Ich hätte so viele Fragen.
So viel Hoffnung.
So viel Enttäuschung, die ich dir ins Gesicht schreien will.
Aber Gott ist immer noch nicht da.
Weiter warten auf den Weltenretter.
Weiter Nachrichten von Krieg, Hass, Tod, Krankheit, Einsamkeit, Verfolgung, Bomben, Klimakatastrophe, Artensterben, Schießereien, Misshandlungen, Machtmissbrauch, Kindesmissbrauch und und und.
Gott, komm doch einfach in unsere Welt.
Mach sie gut.
Nur durch deine Anwesenheit.
Bitte.
Komm.
Liebe Schülerinnen und Schüler der Landwirtschaftsschule, liebe Lehrerinnen und Lehrer!
Heute möchte ich, dass Sie sich richtig ärgern über mich. Nein, eigentlich über Jesus. Nein, natürlich nicht. Oder vielleicht doch?
Ach nee, denken Sie jetzt vielleicht. Ist doch eh alles schon schwer genug gerade. Und jetzt bringt der Pfarrer hier noch nicht mal ne schöne Predigt, wo ich mich mal ein bisschen ausruhen kann und gestärkt rausgehen kann mit einem guten Gefühl. Jetzt will der mich auch noch ärgern.
Alles muss raus!
Als Jugendlicher hab ich von meiner Oma mehr aus Spaß einen riesigen Stoffteddy geschenkt bekommen. Er hieß Anatevka Astanovka Tramwaija, also Anatevka Straßenbahnhaltestelle. Hatte schon einen Brandfleck am Kopf und lag eigentlich nur noch irgendwo rum. Ich hab ihn raus zum Sperrmüll. Da lag er nicht lang – ich musste ihn wieder reinholen. Hab’s nicht fertiggebracht, ihn da draußen liegen zu sehen, ihn loszulassen.
„Nun bitten wir den Heiligen Geist um den rechten Glauben allermeist“. So erklang die schola cantorum. Um den rechten Weg möcht ich ihn lieber bitten, hab ich ihn doch verloren. Welcher Weg mag mich wohl zu Gott führen? Links? Rechts? Geradeaus? Ah, Meister Abb, ihr auch hier? Sagt, wisset Ihr den Weg zu Gott?
Prediger Kuschel, welch glückliche Schickung! Ihr hier! Ich bedauere zutiefst, doch habe ich meinen Weg verloren. Ihr wisset auch nicht wohin?
Den Weg zu Gott? Vorhin deuchte mir, ich wüsste ihn, doch nun ...
Text: Lk 10, 25-37 (BasisBibel)
25 Da kam ein Schriftgelehrter
und wollte Jesus auf die Probe stellen.
Er fragte ihn: »Lehrer, was soll ich tun,
damit ich das ewige Leben bekomme?«
26 Jesus fragte zurück: »Was steht im Gesetz?
Was liest du da?«
27 Der Schriftgelehrte antwortete:
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben
mit deinem ganzen Herzen,
mit deiner ganzen Seele,
mit deiner ganzen Kraft
und mit deinem ganzen Denken.«
Und: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.«
„Glaubst du, das Leben verstanden zu haben?“
Mit dieser Frage beginnt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner ihr Buch „Raus aus der ewigen Dauerkrise“. Ich bin noch nicht ganz fertig mit Lesen, aber es passt einfach so vieles von dem, was sie schreibt, zu unserem heutigen Thema, dass ich es nicht ignorieren konnte. Maren Urner ist erklärte Atheistin, aber die Fragen, die sie stellt, beschäftigen uns auch im Glauben.
Unter anderem eben diese: Glaubst du, das Leben verstanden zu haben?
Maren Urner sagt: Die meisten von uns wissen gar nicht wirklich, was gut für sie ist. Und noch schlimmer: Wir wissen nicht mal, dass wir es nicht wissen. Wir jagen dem Glück nach, ohne jemals überhaupt darüber nachzudenken, was Glück eigentlich ist.