Sie dürfen aber nicht Gott sagen!

Morgenandacht bei der gleichnamigen Tagung des Netzwerks Citykirchenprojekte, Erfurt 20.11.2019

(die vorgelesenen Textpassagen sind in der Audioaufnahme anzuhören)

Seit Monaten war mir klar, was ich heute morgen tun wollte: Ich wollte lediglich eine Kurzgeschichte von Heinrich Böll vorlesen, die mir sofort eingefallen war, als wir das Thema besprochen hatten. 

Leider musste ich dann letzte Woche feststellen: „Kurz“ hieß zu Bölls Zeiten noch etwas anderes als heute. Eine Stunde würden wir hier wohl sitzen. Aber ich finde es trotzdem eine wunderschöne Illustration der Probleme, in die wir geraten, wenn wir anfangen, über das Wort „Gott“ nachzudenken.

Also, ganz kurz: Dr. Murkes gesammeltes Schweigen. Dr. Murke arbeitet im Rundfunk. Der große Bur-Malottke hat zwei Vorträge aufgenommen, doch kurz vor dem Sendetermin kamen ihm Bedenken. Er wollte nicht „an der religiösen Überlagerung des Rundfunks schuldig sein“ und forderte, dass alle Stellen, an denen er „Gott“ sagte, durch „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ ersetzt werden. Aber ein Bur-Malottke nimmt nicht den ganzen Vortrag nochmal auf. Nein, ein Tontechniker darf sich den grauenhaften Vortrag dreimal anhören und anschließend die Bänder schneiden und neu zusammenkleben. Immerhin hatte sich Bur-Malottke bereit erklärt, nochmal ins Studio zu kommen und die neu formulierten Stellen mehrfach einzusprechen. Hier steigen wir in die lange Kurzgeschichte ein.

(S. 13 letzte Zeile bis S. 19)

Was geschieht, wenn wir versuchen, anders von Gott zu reden? Was hat das für Auswirkungen auf andere? Wie verändert es unser eigenes Reden, unser eigenes Denken? Welche Widerstände müssen wir überwinden – und ist es gut, was wir an neuen Sprachspielen finden?

Sicher werden wir nur selten sagen „jenes höhere Wesen, das wir verehren“. Aber vielleicht meinen manche Menschen, denen wir begegnen, etwas ähnliches, wenn sie von Liebe sprechen. Oder von Solidarität. Oder von Verantwortung für die Welt und die Generationen, die nach uns noch hier leben können sollen.

Es macht Mühe, sozusagen auch unsere eigene Sprache zu schneiden und neu zusammenzusetzen. Es macht Mühe, herauszufinden, mit welchen Begriffen wir bei anderen einen Nerv treffen. Aber es lohnt sich. Und vielleicht, vielleicht ist dann irgendwann auch der Begriff „Gott“ wieder mal genau richtig.

S. 38 „Um diese Zeit“ bis „Hier ist eine Stimme, die in einem akustikfreien Raum Gott sagt“