So bunt kann Kirche sein
Um es vorwegzunehmen: Die „Nacht“ war ein voller Erfolg – trotz städtischem Kultur-Konkurrenz-Aufgebot an diesem Vortag zum deutschen Nationalfeiertag. Nach über einem Jahr Vorbereitungszeit in Steuerungsgruppe und Vollversammlung, nach intensiver Berichterstattung in Tageszeitungen, Wochenblättern und Gemeindebriefen, nach zwei Pressekonferenzen, Sponsorenwerbung und Verteilung von 40.000 Flyern konnte niemand behaupten wollen, er/sie hätte von dieser ersten „Nacht der offenen Kirchen in Schweinfurt“ nichts gehört und sei deswegen zu Bett gegangen.
Rund 2.500 Menschen – manche vielleicht doppelt gezählt – hatten sich zu den zwölf Veranstaltungsorten in der Innenstadt aufgemacht. Man brauchte keinen Stadtplan, sondern nur dem Besucherstrom zu folgen und gelangte alsbald zu einer Kirche oder einer kirchlichen Einrichtung wie dem Gesprächsladen oder der St. Josef-Krankenhauskapelle - aber wegen des immensen Ansturmes gerade bei den ersten Programmpunkten leider nicht immer in sie hinein oder nur auf die Treppe zur Empore. Einige Pfiffige (darunter unser Dekan) waren sogar per Drahtesel unterwegs, um die zeitlich problematischen Entfernungen zu schaffen, versäumten aber dadurch Begegnungen auf dem Weg: „Ja, da müssen Sie unbedingt hin.“ „Nein, das haben wir nicht geschafft.“ Stolz bei den einen, dass sie diesen und jenen Event miterleben durften, ein wenig Defizitgefühl bei den anderen, die irgendwo hängen blieben.
Nur subjektiv und selektiv lässt sich die Angebotspalette erfassen: Gemeinsamer Beginn um 19.30 Uhr auf dem Martin-Luther-Platz, wo übrigens auch Schirmherr MdB Michael Glos samt Frau gesichtet wurde. Dekan Oliver Bruckmann griff das Stichwort „Nacht“ auf: Nachts sei Gott zur Welt gekommen; nachts habe Jesus das Grab verlassen. Überhaupt habe Gott, der nicht schlafe noch schlummere (Ps 121,4), des Nachts oft zu Menschen gesprochen. Auch deshalb nun diese nächtliche Einladung, um Gott zu erfahren.
Längst war die Theater-Kirche St. Johannis proper voll, ehe der (unsichtbare) Vorhang zum „Johannisspiel“ (von Wiltrud Wößner; musikalisch perfekt gerahmt durch die Würzburger Hofkapelle und die Kantorei unter GMD Christel Hüttner) aufging: In vier Akten erfolgte ein Parforceritt durch annähernd 1000 Jahre Geschichte von St. Johannis und Schweinfurt. Zeitgleich stand das Publikum in der Welt-Kirche St. Salvator Schlange, um sich von bolivianischen und peruanischen Rhythmen der Gruppe „Pankara Siku“ (Ltg. Juan Osorio) mitreißen zu lassen. „Ach, wäre unsere Kirche öfters so gut gefüllt“, schwärmte die Mesnerin.
Ganz im Gegensatz dazu gestaltete sich der Besuch in der Genuss-Kirche beschaulich, übersichtlich und meditativ. Für den älteren Hauskreis eine willkommene, anregende und abwechslungsreiche Nacht! Denn das Augustinum erklärte anhand von Schautafeln den Kirchenjahreskreis (vom bevorstehenden Erntedankfest bis zu Pfingsten) und bot dazu die typischen Genüsse für den Magen an.
Auf ging’s zur Mittelerde und zum „Herrn der Ringe“: Fast nur Jugendliche des CVJM erfreuten sich hier an der Cinema-Kirche in der Luitpoldstraße. Ein bemerkenswerter Versuch eines Gottesdienstes mit Filmzitaten und Auslegung des 23. Psalmes: „Offener Krieg steht euch bevor“, aber Gandalf – ähnlich wie Jesus – tröstet: „Erwartet mein Kommen!“ Also: Wenn wir angesichts von Konflikten am liebsten weglaufen möchten, sollen wir darauf bauen, dass uns Gott auch durch finstere Tal begleitet. So einfach geht das.
Die schmissigen Songs „O happy day“ und „My sweet Lord“ wiesen leicht den Weg durch die Dunkelheit: Dass es in der Gustav-Adolf-Kirche zur Gospel-Night keine freien Plätze gebe, hatte sich schon längst herumgesprochen. Aber auch ein Blick durch die Scheibe reichte aus, um einen nachhaltigen Eindruck von dem fulminanten Auftritt der Gruppe „Bridge to a Prayer“, natürlich unter Pfr. Manfred Herberts sangeslustiger Beteiligung, zu gewinnen. Auch der Verköstigungsstand vor dem Gotteshaus profitierte davon.
Dort fand schließlich gegen Mitternacht der gemeinsame ökumenische Abschluss durch die beiden Dekane statt. Dekan Reiner Fries resümierte noch einmal die „wunderbare erste gemeinsame Nacht“: „So bunt kann die Kirche sein!“ Danach zitierte er die tröstliche Sentenz: „Die Mitte der Nacht ist der Anfang des neuen Tages.“ Einige Nachtschwärmer prüften ihre Stimmigkeit. Jedenfalls verlangt dieses gelungene Projekt unbedingt nach Wiederholung. (Über-)nächstes Jahr in Schweinfurt? Wir sehen uns.
Fotos finden Sie auf http://www.dekanat-schweinfurt-evangelisch.de/696.php