Du stellst meine Füße auf weiten Raum

Ansprache beim Schulanfangsgottesdienst der Landwirtschaftsschule, 22.10.2012

Liebe Schülerinnen und Schüler der Landwirtschaftsschule, liebe Lehrerinnen und Lehrer!

Erst einmal meine herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag! 90 Jahre gibt es diese Schule nun schon. Und das Motto, unter dem Sie den Geburtstag feiern, zeigt, worauf es ankommt: „Haupt-Sache Bildung“. Ich weiß nicht, wie das damals war, als diese Schule gegründet wurde. Aber ich weiß: Gerade auch in der Landwirtschaft ist Bildung etwas grundlegend Wichtiges. Zu wissen, wie Pflanzen richtig angebaut werden. Wie die Arbeit organisiert werden kann. Wie die Tiere gepflegt werden müssen. Und natürlich auch das ganze Thema Verwaltung und Finanzen, auch das ist wichtig.


Das alles ist so zentral, dass Hilfswerke in armen Ländern, wenn sie ihre Arbeit ernst nehmen, nicht etwa einfach Nahrungsmittel hinschaffen und die Menschen versorgen. Bildung steht an erster Stelle. Wissen über die Natur, über die Landwirtschaft. Genau das, was Sie hier lernen, wenn auch auf einem sicher viel niedrigeren Niveau. Bildung rettet dort Leben. Ermöglicht es oft erst. Haupt-Sache Bildung. Das Klischee vom dümmsten Bauern, der die dicksten Kartoffeln erntet, hat schon lange ausgedient.
Ganz im Gegenteil: Heute braucht es sehr viel Klugheit und auch Mut, um einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Sie haben viel mehr Möglichkeiten als die ersten Schulanfänger hier vor 90 Jahren, aber auch mehr Verantwortung und mehr Risiko. Wohin geht der Weg? So viele Möglichkeiten gibt es. So viele Themen: Strukturwandel, Tierschutz, Energiewende, umweltschonendes Wirtschaften, Ernährung sichern zu angemessenen Preisen. Sie kennen das.

Ich denke dabei an ein Bibelwort aus dem 31. Psalm. Der ist in meiner Bibel überschrieben mit „In Gottes Händen geborgen“. Und es geht darin immer hin und her zwischen „Gott, ich vertraue dir“ und „ach, es ist alles so schrecklich, alle sind gegen mich, die Welt ist voller Gefahren“. Im Vers 9 heißt es da: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“

Ich denke, das beschreibt Ihre Situation sehr gut: Ihr Leben ist ein weiter Raum. Sie können nach links abbiegen oder nach rechts. Sie können einfach geradeaus weitergehen. Oder auch mal im Kreis gehen oder ein Stück zurück. Sie haben viele Freiheiten.

Und wenn Sie in der Landwirtschaft tätig sind, dann stimmt dieser Satz vielleicht manchmal sogar ganz wörtlich: Da stehen Sie dann auf einem riesigen Acker, auf weitem Raum. Und ob Sie da jetzt Mais anbauen oder Kartoffeln oder was auch immer: Das ist Ihre ganz eigene Verantwortung.
Das ist dann gleichzeitig die Kehrseite dieser Freiheit: Die Verantwortung. SIE müssen entscheiden. SIE haben die Freiheit. Der weite Raum ist für Sie da. Aber entscheiden, wohin Sie gehen: Das müssen Sie selber.

Manche Menschen empfinden das eher als bedrohlich. Sie möchten gerne wissen, wohin die Reise geht. Schließlich kann man durchaus auch versagen, wenn man etwas anpackt. Und dann sind die anderen schnell zur Stelle „Ich habs ja gleich gesagt!“ und was es da alles für Kommentare gibt. Auch der Psalm 31 erzählt davon, wie der Beter dieses Psalms von allen ausgelacht und verspottet wird.

Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Lernen Sie, so viel Sie können, und setzen Sie dann Ihre Füße mutig in diesen weiten Raum. Sie sind ja nicht allein. Sie sind in Gottes Händen geborgen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie etwas davon spüren – in der Zeit hier an dieser Schule, aber auch später im Beruf.

Amen.