Friedensgebet am 6.3.2022

Kyrie eleison! Herr erbarme dich! Voller Sorgen sind wir in diesen Tagen. Voller Angst, voller Trauer.

Der Krieg, in den letzten Jahrzehnten meist nur eine ferne Erzählung von Geschehnissen auf anderen Kontinenten, geschieht plötzlich gar nicht weit entfernt von uns.

Fast trotzig klingt heute, was die weltweiten Kirchen bei ihrer Vollversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948, geschrieben haben:

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.

Auch die orthodoxe Kirche hat das übrigens unterschrieben.

Leider ist das nur ein schöner Satz – aber wer hält sich schon an eine kirchliche Verlautbarung.

So viele alte Gewissheiten sind gefallen in diesen Tagen. Frieden schaffen ohne Waffen? Schwerter zu Pflugscharen? Solche Sätze klingen aus heutiger Perspektive wie eine Verhöhnung der Menschen in der Ukraine.

Paulus schreibt im Römerbrief:

„Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ (Röm 12,18)

Soviel an euch liegt. Vielleicht ist das tröstend: Manchmal liegt es eben nicht an uns. Gut, wir können natürlich analysieren, ob wir im Verhältnis zu Russland in den letzten Jahrzehnten etwas hätten anders machen können. Aber heute, heute ist der Frieden leider nicht mehr möglich. Heute geht es darum, Menschen zu helfen. Sie zu retten. Sie auch im Gebet zu begleiten.

Und dabei aber immer wieder den Frieden zu suchen. Ihm nachzujagen.

Es wird schwer, ja fast unmöglich werden, die Wunden wieder zu heilen. Es wird nicht möglich sein, die vielen Toten zurückzubringen. Und was die ukrainischen Kinder in diesen Tagen erlebt haben, wird ihr Leben für immer prägen und wohl auch noch das ihrer Kinder, ihrer Enkel. Wir kennen das aus unserer eigenen Geschichte.

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.

Heute beten wir für ein Ende des Kriegs. Für Bewahrung der Menschen, die dort bombardiert werden, die ohne Nahrung und Wasser und Heizung ausharren müssten. Heute geht es um konkrete Hilfe, dort in der Ukraine und hier bei uns, für die Menschen auf der Flucht.

Aber eines Tages, wenn dieser Krieg vorbei ist, dann wird es noch viel schwerer werden. Dann geht es um Versöhnung. Um Vergebung. Darum, den aufgestauten Hass zu überwinden.

Wir haben leicht reden, hier, wo keine Raketen einschlagen. Aber eigentlich kennen wir das. Unsere ehemaligen Todfeinde wie Frankreich sind unsere engsten Verbündeten geworden. Versöhnung kann gelingen.

„Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ (Röm 12,18)

Manches macht mir Hoffnung, dass es gelingen kann. Ich sehe, wie die Welt zusammensteht, um denen in Not zu helfen. Ich hoffe, dass darüber die anderen auf der Flucht nicht in Vergessenheit geraten, aber heute will ich mich freuen, dass Deutsche ihre Wohnungen öffnen, um wildfremde Menschen bei sich wohnen zu lassen. Heute will ich mich freuen über die vielen Friedensgebete, die Demos, all das, was Hoffnung macht. Und ich will daran festhalten und nicht mehr dahinter zurückgehen, dass diese Welt ein menschenfreundlicher Ort sein soll, in dem Kriegstreiber keinen Platz mehr haben. Ein Ort, an dem allen geholfen wird.
Klein und zart wächst die Pflanze des Friedens und der Versöhnung zwischen uns. Wenn wir sie pflegen, wird sie größer. Lasst sie uns behutsam aufziehen, dass sie weiter wachsen kann.

Freunde, dass der Mandelzweig
wieder blüht und treibt,
ist das nicht ein Fingerzeig,
dass die Liebe bleibt?

Amen.