Predigt: Manna für alle!

Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis 2014

Schwebheim, 3.8.2014

Text: 2. Mose 16, 2-3.11-18 Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. 3 Und sie sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst. 11 Und der HERR sprach zu Mose: 12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin. 13 Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. 14 Und als der Tau weg war, siehe, da lag's in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. 15 Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wußten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat. 16 Das ist's aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, soviel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. 17 Und die Israeliten taten's und sammelten, einer viel, der andere wenig. 18 Aber als man's nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, soviel er zum Essen brauchte.

(unter Verwendung einiger Teile meines Blogeintrags "Für den Frieden!")

Liebe Gemeinde!

Die „Fleischtöpfe Ägyptens“ sind ja geradezu sprichwörtlich geworden. So sind wir Menschen: Nie zufrieden mit dem, was wir haben. Als die Israeliten in Ägypten als Sklaven lebten, wünschten sie sich nichts sehnlicher als die Freiheit. Und jetzt, da sie die Freiheit haben? Wollen sie zurück in die Gefangenschaft. Da hatte man es wenigstens bequem und bekam immer genug zu essen. Na ja, wird wohl auch ein bisschen Verklärung der guten alten Zeit dabei gewesen sein. So schön, wie sie das in Erinnerung hatten, war es bestimmt nicht.

„Pass auf, was du dir wünscht, es könnte in Erfüllung gehen.“ Ein Satz, den ich öfter mal benutze, auch wenn ich nicht weiß, von wem er stammt. Ob sich die Israeliten das so vorgestellt hatten, die Erfüllung ihres Traums von der Freiheit? Wohl eher nicht.

Viele Völker – oder Teile davon – kämpfen heute um ihre Freiheit oder haben es getan. Tunesien, Ägypten, Libyen, Syrien, auch die Ukraine. Wie viele Menschen werden sich dort wohl den alten Status zurückwünschen. Lieber ein Leben in Unfreiheit und Diktatur als eines, das von ständigen Kämpfen überschattet wird. Eines, das eigentlich gar kein vernünftiges Leben mehr ist. Ein Leben, das ständig in Gefahr ist. Freiheit – das kann anstrengend sein und sehr gefährlich.

Wir sagen das so selbstverständlich, weil wir in einem wirklichen Rechtsstaat leben: Unsere Freiheit endet immer da, wo sie die Freiheit des anderen einschränkt. Woanders ist das nicht so klar geregelt. Unsere christlichen Schwestern und Brüder in Syrien und im Irak wären froh, wenn ihre Glaubensfreiheit respektiert werden würde. Dort leben Christen schon viel länger als hier in Deutschland. 50.000 waren es in der Stadt Mossul bis vor kurzem – jetzt sind sie alle geflohen. Die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ hat sie vor die Wahl gestellt: Konvertieren zum Islam, eine Strafsteuer zahlen, Fliehen oder Tod. Ihre Häuser wurden mit einem arabischen „n“ gekennzeichnet für „Nazarener“, also Christen. Das kennen wir irgendwie aus unserer eigenen Geschichte. Auch, dass den Fliehenden noch alle Wertgegenstände abgenommen wurden. Zehntausende, wahrscheinlich Hunderttausende Christen sind auf der Flucht vor verblendeten Fanatikern, die nur ihre eigene, hasserfüllte Interpretation ihrer eigenen Religion kennen und gelten lassen. Es sind ja nicht nur die Christen, auch andere „Konfessionen“ des Islam werden verfolgt, außer Kirchen auch Moscheen gesprengt. Eine Situation, die wir uns, glaube ich, nicht vorstellen können.

Und ein wahrer Exodus der Christen aus einer Gegend, in der sie schon immer zu Hause waren, länger als es Christen in Deutschland gibt. Gott, wo bleibt da deine Unterstützung? Wo bleibt das Manna, wo die Wachteln?

Vielleicht gibt es das doch, wenn auch anders, als wir uns das vorstellen. Ich habe Berichte gelesen von Muslimen, die auf die Straße gingen und gegen die Verfolgung der Christen protestierten, obwohl das auch für sie lebensgefährlich ist. Ich habe gelesen, wie selbstverständlich die Christen auch bei Muslimen Unterschlupf finden. Und im Internet, auf Facebook und anderen Kanälen, ersetzen auf der ganzen Welt Christen ihr Profilbild durch das arabische n, das diese Fanatiker an die Häuser der Christen geschmiert haben. Als ein Zeichen: Wir gehören auch zu diesen Nazarenern. Wir denken an euch und beten für euch. Und wir sorgen dafür, dass ihr nicht vergessen werdet. Zeichen des Friedens, der Verständigung und der Hoffnung in einer Welt, die derzeit an so vielen Orten geradezu überzukochen scheint, dass ich in einer einzigen Predigt gar nicht auf alles eingehen kann.

Auch bei uns in Deutschland ist die Stimmung angeheizt, noch zusätzlich durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Auf allen Seiten schaukelt sich der Hass hoch. Die Zahl der Übergriffe auf Moscheen in Deutschland steigt, auf die Wuppertaler Synagoge wurde ein Brandanschlag verübt. Ich habe große Sorge auch um den inneren Frieden in unserem eigenen Land. Was können wir denn schon tun?

Vielleicht hilft es, auf Jesus zu sehen und zu überlegen, was er getan hätte. Und er hat gesagt (Mt 5)

43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Liebt eure Feinde. Tut wohl denen, die euch hassen. Ich glaube nicht, dass es hilfreich ist, dem Hass mit Hass und Eskalation gegenüberzutreten. Auch wenn es angesichts der Gräueltaten schwer fällt: Unsere einzige Chance ist es, in allen Gruppen die zu suchen und zu finden, die selbst den Frieden suchen. Unsere einzige Chance ist es, auf Gewalt nicht mit Gewalt zu antworten, sondern mit Liebe. Vielleicht kommen wir so aus dieser Spirale der weltweiten Gewalt wieder heraus, indem wir allen Menschen, egal welchen Glaubens oder Nichtglaubens, zurufen:

Sucht den Frieden und die Versöhnung. Tretet ein gegen Hass, Verallgemeinerung, Hetze gegen Volks- oder Religionsgruppen. Haltet die andere Wange hin. Teilt im Übermaß. Sorgt für Gerechtigkeit. Betet um Frieden. Liebt eure Feinde.

Ich glaube, das ist unsere einzige Chance, auf dieser Welt zu überleben.

Was das alles mit unserem Predigttext zu tun hat? Ich denke, mehr, als Sie auf den ersten Blick sehen. Denn viele Konflikte haben auch etwas mit Besitz und Neid zu tun. Damit, dass der eine mehr hat als der andere – Essen, Wasser, Land, Bildung – was auch immer.

In unserem heutigen Predigttext ist klar: Alle sollen genug bekommen. Aber eben nicht mehr als das. Und „genug“ - ich glaube, das bedeutet viel weniger als wir uns vorstellen. Aber viel mehr, als viele auf dieser Welt haben. „Genug“ ist sicher lange überschritten, wo ein einzelner Fondsmanager 1,5 Milliarden von Argentinien fordert und damit ein ganzes Land in den Konkurs und in die Armut treibt. „Genug“ ist auch da überschritten, wo wir mehr Besitz anhäufen, als wir überhaupt brauchen können. Das heißt nicht, dass wir uns nicht auch mal was leisten dürfen, auch mal richtig gut Essen gehen dürfen, eine große Feier veranstalten, ein Haus bauen oder was auch immer. Aber es heißt: Genügsam, solidarisch, friedfertig leben. Und das eigene Leben in Gottes Hände legen. Er wird für uns sorgen, sogar über den Tod hinaus. Er wird uns stärken, so wie heute, im Abendmahl.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.