Predigt: "Wir sind ein Leib"? Was für eine Zumutung!

Predigt am Gründonnerstag 2022
Schweinfurt – Gut Deutschhof, 14.4.2022

Text: 1. Kor 10, 16-17
Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Liebe Gemeinde!

Als Jugendlicher war ich oft bei den Jugendtreffen im französischen Taizé. Bestimmt haben Sie schon mal von den Brüdern gehört, die dort Jugendliche einladen, für eine Woche ihr einfaches, klösterliches Leben mitzuleben, dreimal am Tag zu beten und ihre wunderbaren, mehrstimmigen Gesänge zu singen – und sich bei Bibelarbeiten auszutauschen. Tausende kommen jede Woche. Werden in kleine Gesprächsgruppen eingeteilt, die sich über ein Glaubensthema unterhalten. Vielsprachig geht es zu, ich erinnere mich an eine Gruppe, in der eine Person kein Deutsch konnte und eine kein Englisch, also haben wir alles mehr oder weniger simultan übersetzt. Ganz verzweifelt fragte irgendwann der Belgier: „In welcher Sprache habe ich angefangen?“

Und mit einer Polin, die super Französisch sprach und Englisch ganz gut verstand, habe ich vereinbart: Sie spricht Französisch und ich Englisch, denn das kann ich besser. Ziemlich gewöhnungsbedürftig, so eine Unterhaltung.

Weltweite Kirche. OK, mehr oder weniger europaweit in Taizé, aber was soll’s. Das ist etwas, was mich sehr fasziniert. Mein Neffe hat einen zweiten Vornamen, der aus Papua Neuguinea stammt. Hier in unserem Dekanat unterstützen wir die Creche Bom Samaritano in Brasilien. Manche Gemeinden in Bayern halten Kontakt nach Tanzania.
Kirche – das ist eine große, weltumspannende Gemeinschaft. Kirche – das ist weit, weit mehr als unser kleines Dekanat, unsere Gemeinde hier mit ihren ganz eigenen Problemen. Kirche – das ist die Wohnung Gottes bei den Menschen.

Ja, wäre alles so einfach, wenn da nicht eben diese Menschen wären. Die halt ziemlich oft unterschiedliche Meinungen zu einem Thema haben können. Die manchmal Dinge in den falschen Hals kriegen. Die sich ärgern über etwas, was unbedacht daher gesagt wurde. Oder die auch mal wirklich knallhart den eigenen Vorteil suchen. Oder an ihrer eigenen Gier, ihren eigenen Bedürfnissen scheitern.
Und dann kommt dieser Jesus. Er weiß, wie es um die Gemeinschaft seiner Jünger steht. Er weiß, dass sie zerbrechen wird, dass einer seinen eigenen Weg gehen wird. Er weiß: Judas wird mich verraten.

Und dennoch: Er lädt sie alle ein. Mit allen, auch mit dem Verräter, feiert er. Und zeigt ihnen: Ihr gehört zusammen. Selbst, wenn es unmöglich zu sein scheint: Ihr gehört zu dieser Gemeinschaft. Untrennbar seid ihr miteinander verbunden.

So wird es Paulus viele Jahre später im Korintherbrief schreiben, in unserem heutigen Predigttext:

1. Kor 10, 16-17
Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

„So sind wir viele ein Leib“.

Ich finde das nicht einfach, muss ich ehrlich sagen.

Es gibt Menschen, mit denen fällt es mir schwer. Mit denen möchte ich gar nicht unbedingt „ein Leib“ sein.

Es gibt Menschen, die machen mich wütend, kaum dass sie den Mund aufmachen.

Es gibt Menschen, denen geht’s vermutlich umgekehrt mit mir genauso.

„So sind wir viele ein Leib“?

Sind wir dann auch „ein Leib“ mit denen, die ihre Machtposition ausgenutzt haben und Kindern, die ihnen anvertraut waren, unvorstellbare Dinge angetan haben? Sind wir „ein Leib“ mit denen, die vor Jahrhunderten Hexen verbrannten und meinten, sie tun etwas Gutes damit? Sind wir „ein Leib“ mit denen, die für Hitler beteten? Oder mit dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill, der treu und fest an der Seite Putins steht?

Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Puh. Ich finde das, ehrlich gesagt, eine Zumutung. Ich will das nicht. Mit manchen Menschen möchte ich nicht „ein Leib“ sein.

Aber Jesus mutet uns zu, dass sein Angebot allen gilt. Selbst Judas, dem Verräter.
Über die Straftäter und ihre schwere Schuld mögen hier auf dieser Erde Gerichte richten. Was Gott daraus machen wird, das muss und will ich ihm überlassen. Auch, wenn’s mir schwer fällt.

Ein bisschen hilft mir das Bild vom gemeinsamen Leib. Denn: In so einem Körper ist immer irgendwas kaputt. Eine kleine Wunde oder ein großes Geschwür. Migräne oder Heuschnupfen. Ein gebrochenes Bein. Oder Corona. Was auch immer.

Dass wir „ein Leib“ sind, heißt eben nicht, dass wir alles akzeptieren müssen, was die anderen so tun, im Gegenteil: Es ist wichtig, Falsches zu benennen. Es ist wichtig, schädliche Entwicklungen zu bekämpfen. Krankheiten des Leibes zu erkennen und zu heilen.

Das haben Gemeinden schon immer getan. Der Name „Gründonnerstag“ kommt eventuell von „Greinen“. Weil die Sünder, die zu Beginn der Fastenzeit zur Strafe von der Gemeinde ausgeschlossen waren, an diesem Tag weinend wieder zum Abendmahl kommen durften. Geläutert konnten sie wieder ein Teil des Ganzen werden. Ein Teil des Leibes Christi.

Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.

Heute lädt uns Jesus ein an seinen Tisch. Er lädt uns ein, zu spüren: Wir sind Teil dieses weltumspannenden Leibes Christi.

Vielleicht sind heute auch Menschen da, die Sie nicht so mögen. Über die Sie sich geärgert haben. So schwer es zu akzeptieren ist: Jesu Einladung – sie gilt uns allen.

Amen.

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