Wohin? Ansprache im MehrWegGottesdienst am 19.11.2017

Mt 28,20 siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

 

Wohin?

Wohin soll er fahren, der Zug meines Lebens?

Welche Weichen stelle ich,
welche lasse ich lieber unangetastet?

Welche würde ich so gerne, gerne stellen –
und lass es dann doch lieber bleiben?

Ach, wäre das Leben ein Computerspiel.
Einfach mal abspeichern, was ausprobieren, und wenns nix war: Zurück zum letzten Stand.

Ich blicke zurück auf meinen bisherigen Lebensweg:

Was hab ich wohl alles verpasst?

Welche Chancen habe ich nicht ergriffen,

weil ich zu doof, zu begriffsstutzig, zu feige dafür war?

Wo würde ich heute anders entscheiden als damals?

Wäre es besser für mich? Würde mein Weg anders aussehen?

Ich werde es wohl nie erfahren.

Wäre dieser andere Beruf besser gewesen?

Diese andere Frau, jener andere Mann, die andere Stadt?

Ich werde es nie erfahren. Der Blick zurück: Er hilft mir nichts.

Es ist wie bei Lots Frau in der Geschichte von Sodom und Gomorrha.

Sie blickte zurück und erstarrte zu einer Salzsäule.

Der Blick zurück kann lähmen. Kann mich erstarren lassen. Wer die Hand an den Pflug legt und schaut zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes, sagt Jesus.

Lieber schüttle ich alles ab.

Allen Frust, alles „hätte ich doch mal“, allen Ärger von früher, alle Enttäuschungen.

Sie sollen, sie dürfen mich nicht mehr lähmen.

Heute, heute geht der Blick nach vorne.

Schwer genug ist das.

Was will ich eigentlich?

Wohin will ich?

Dreht sich mein Leben nur noch im Kreis,

alle Jahre wieder

der gleiche Mist?

So wie die Bahn, ganz am Anfang unseres Gottesdienstes?

Oder stelle ich mutig neue Weichen,

nehme Umwege, Kurven und Sackgassen in Kauf?

Manchmal, da ist es richtig krass.

Ganz spontan entscheiden wir uns für etwas neues.

So wie die Jünger, die Jesus aufforderte, ihm zu folgen.

Sie ließen alles stehen und liegen und folgten ihm nach.

So, wie der Iraner, der letzten Donnerstag in unserem Glaubenskurs war.

Lange hatte er schon in verschiedenen Gemeinden nach Gott gesucht.

Und nun, ganz plötzlich, war die Entscheidung völlig klar: Ich will getauft werden! Ich will dazu gehören, zu diesem Jesus Christus. Ich will dazu gehören zu diesem Gott, der mich annimmt ohne Vorbedingungen.

Nachts um zehn. In der kalten Kirche. Wir haben gefroren, gesungen, gelacht, getauft und Tränen der Rührung vergossen.

Mutig neue Wege gehen. Entscheidungen treffen.

Welche Weichenstellungen stehen an bei mir? Wovor drücke ich mich?

Meistens, da passt das Bild von den Schienen gar nicht so richtig. Meistens im Leben geht es weder so schnurstracks geradeaus, noch völlig klar in eine Weiche „links oder rechts“. Meistens ist es eher, als wären die Schienen aus Wackelpudding. Wenn es denn überhaupt welche gibt.

Ein bisschen mehr Orientierung wäre schon gut im Leben. Oder wenn wenigstens jemand mit unterwegs wäre.

Da gefällt mir das Bild vom Zug doch sehr. Denn so ist es ja: Manche Menschen fahren mehr oder weniger die ganze Strecke meines Lebens mit.

Manche steigen irgendwo in den gleichen Zug, begleiten mich zwei, drei Stationen und steigen wieder aus.

Andere sind von Anfang an da, doch irgendwann verlassen sie mich. Und wieder andere werden weiterfahren, wenn ich schon nicht mehr bin.

Einer aber, der ist von Anfang bis Ende dabei. Der Zugbegleiter. Der hat selber schon alles mitgemacht. Er kennt das. Das auf und ab. Höhen und Tiefen. Unsicherheit, Zweifel, Verlassenheit. Jesus heißt er. Und er sagt zu mir, zu uns: Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.

Das lässt mich mutiger, hoffnungsvoller nach vorne schauen. Ich bin nicht allein. Egal, ob ich die Weiche nun nach rechts oder nach links stelle. Egal, ob ich aktiv eine Entscheidung treffe oder einfach alles so laufen lasse: Jesus sagt: Du bist nicht allein. Ich bin bei dir. Alle Tage. Bis ans Ende der Welt.

Amen.