Predigt: Ja ja!

Predigt am 23. Sonntag nach Trinitatis
Christuskirche/Dittelbrunn, 3.11.2013

Text: Mt 5, 33-37
Jesus lehrte seine Jünger und sprach: Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: "Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten." 34 Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; 35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. 36 Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. 37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.

Liebe Gemeinde!

Manchmal ärgere ich meine Kinder, indem ich auf alle Fragen nur noch Ja antworte. Oder nur noch Nein, was sich gerade anbietet. Irgendwann kommt dann: „Kannst du auch noch was anderes sagen außer Ja?“ Antwort natürlich: Ja.

Unsere Gespräche wären ziemlich langweilig, wenn wir das, was Jesus hier sagt, so wörtlich nehmen würden und unsere Sprache nur noch aus den zwei Wörtern Ja und Nein bestehen würde. So war das natürlich auch von Jesus nicht gemeint.

Es geht hier um eine sehr tiefgehende Frage. Nämlich die nach unserer Glaubwürdigkeit. Gerade Christen werden hier auch von Nichtchristen immer wieder sehr genau daraufhin betrachtet, wie wahrhaftig sie leben und reden. Aktuelles Beispiel, um das wir heute kaum herumkommen bei diesem Thema: Der Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Ich möchte ihn nicht verurteilen, denn ich weiß gar nichts darüber, was in diesem Bistum wirklich vorgefallen ist. Und erst vor zwei Wochen habe ich in der Predigt gesagt: Einen Menschen zu verurteilen, steht uns hier schlecht an. Aber für mich stellt es sich doch so dar, als hätte er an manchen Punkten die Wahrheit etwas verdreht, Dinge zurückgehalten, nicht klar kommuniziert. Dass er jetzt auch noch wegen des Verdachts auf eidestattliche Falschaussage angeklagt wurde, hat nicht nur seine Glaubwürdigkeit praktisch auf Null fallen lassen, sondern – wieder mal – für eine Austrittswelle gesorgt, nicht nur bei den Katholiken. Und natürlich für eine große Diskussion über die Glaubwürdigkeit der Kirchen und auch über unsere finanziellen Grundlagen, über Kirchensteuer allgemein, staatliche Zuwendungen und alle diese Dinge.

Und nun?

Trotz allem sage ich: Er ist einer von uns. Er ist ein Bruder in Christus, auch für uns Evangelische. Er hat Fehler gemacht, das ist ziemlich sicher, aber wie gehen wir damit um?

Jetzt mal ganz ehrlich: Haben Sie wirklich noch nie die Wahrheit ein bisschen zu Ihren Gunsten verdreht? „Ich hab die Hausaufgaben gemacht, sie liegen zu Hause.“ „Ja, Chef, der Auftrag ist schon fast fertig“ - obwohl Sie ihn völlig vergessen hatten. Oder auch nur: „Das schmeckt sehr lecker, was du da heute gekocht hast.“ Ach, Ihnen fallen bestimmt noch viele kleine und große Ausreden ein. Ausflüchte, kleine, sagen wir mal, Verschiebungen der Wahrheit.

Psychologen sagen: Das ist auch wichtig. Für das zwischenmenschliche Miteinander ist es unerlässlich, dass wir mal ein ziemlich ekliges Essen loben oder eine Kleinigkeit ein wenig anders darstellen als sie wirklich war. Und Jesus redet hier ja auch gar nicht von den kleinen Notlügen, sondern es geht erst einmal um die „großen“ Dinge. Ums Schwören. Doch genau da geht es ja schon los. Wären wir alle wirklich wahrhaftig, bräuchten wir gar keine Schwüre, eidesstattlichen Versicherungen und all das. Unsere Rede wäre einfach Ja ja, nein nein. Was wäre das Leben einfach. Jedem Menschen könnten wir vertrauen. Wenn einer etwas sagt, dann wäre das so, wie er es sagt. Wir müssten nicht nachfragen, was seine Beweggründe sind. Nicht argwöhnen, dass er uns vielleicht übers Ohr hauen will.

Vielleicht könnten wir uns sogar damit abfinden, dass das selbst gekochte Essen mal nicht gelobt wird, sondern deutlich gesagt wird, was gut ist und was schlecht. Vielleicht könnten wir sogar unserem Chef sagen: „Ich hab's völlig vegessen, gut dass Sie mich daran erinnern, ich setz mich gleich dran.“
Wie gesagt: Jesus selbst bezieht sich hier eigentlich nur aufs Schwören.

Trotzdem glaube ich: Es ist wichtig, im Kleinen anzufangen, um glaubwürdig zu sein und zu bleiben. Auch, wenn wir das nicht immer schaffen.

Jesus sagt aber in unserem heutigen Predigttext noch viel mehr. Ihm geht es nicht nur ums Schwören, sondern um das Wie dieses Schwörens. Ehrlich gesagt: Da bin ich nicht so ganz auf dem Laufenden. Ich mache das nämlich tatsächlich normalerweise nicht, dieses Schwören. Aber zumindest zu Zeiten Jesu war es wohl üblich, bei einer Sache zu schwören, die einem sehr wichtig und heilig war. Da sagt Jesus uns ganz knallhart: Was soll das? Ihr habt doch keine Verfügungsgewalt über diese Dinge. Nicht über den Himmel, nicht über die Erde. Nicht einmal über ein Haar auf eurem Kopf. Es steht euch gar nicht zu, diese Dinge so zu vereinnahmen. Also, lasst es einfach bleiben.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht. Für mich steckt darin auch eine heftige Zurechtweisung: Nehmt euch nicht so wichtig. Ihr braucht nicht gleich den Himmel und die Erde zu bemühen, weil ihr eine eurer Aussagen bekräftigen wollt. Blast euch nicht so auf, als würde das Schicksal der ganzen Welt davon abhängen, was ihr sagt. Bleibt bescheiden in dem, was ihr sagt und was ihr tut. Dann ist es auch gar nicht nötig, die Wahrheit zu verdrehen, sich selbst besser und andere schlechter darzustellen und all das.

Hm. Irgendwie geht es heute einfach nicht ohne Tebartz-van Elst. Der scheint da wirklich zu passen wie die Faust aufs Auge. Zumindest in der Presse wird er dargestellt als prunksüchtig, ichbezogen, unwahrhaftig. Ob das wirklich seine Persönlichkeit beschreibt? Ich weiß es nicht. Lassen wir es mal offen und sagen einfach: Wenn ein Christ – nicht nur ein Bischof – so lebt, wie die Presse diesen Bischof beschreibt, dann entspricht das wohl kaum dem Willen Jesu.

Und trotzdem müssen auch wir mit Geld umgehen. Die neue Kinderkrippe hat sicher keine 30 Millionen gekostet, natürlich nicht, aber billig war sie nicht. Auch die Renovierung des Pfarrhauses jetzt in der Vakanzzeit kostet Geld. Die Instandhaltung der Gebäude, die Gehälter der Mitarbeiter. Ich denke, entscheidend ist, dass wir sagen können: Wir gehen mit diesem Geld verantwortungsvoll um. Und: Wir können zu dem stehen, was wir da tun. Unsere Rede kann Ja ja sein.

Das ist nicht immer so ganz einfach, den richtigen Weg zu wählen. Und oft werden wir auch nicht alle davon überzeugen können, dass der Weg, den wir gewählt haben, der richtige ist. Klar geworden ist in Limburg aber auch eines: Offenheit und Transparenz hätte auch dort geholfen. Hätte geholfen, Fehler zu erkennen. Oder auch geholfen, Verständnis zu wecken für Mehrkosten, die aus bestimmten Gründen vielleicht auch unvermeidbar waren.

Zur Klarheit gehört wohl auch, zu sagen: Das war nicht in Ordnung. Aber auch: Der, der diese Missstände zu verantworten hat, bleibt trotzdem ein Kind Gottes und unser Bruder oder unsere Schwester in Christus. Denn wir alle haben Fehler, und wir alle haben Vergebung nötig.

Lassen Sie uns versuchen, diese Offenheit, Klarheit und Verlässlichkeit im eigenen Leben zu verwirklichen. Ich glaube, es täte uns allen gut. Ja und Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.