Predigt an Nachkirchweih: „Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“
Predigt am Nachkirchweihsonntag, 14.9.2025 in Gochsheim
31Inzwischen waren die Mutter
und die Brüder von Jesus gekommen.
Sie blieben draußen stehen
und schickten jemand, der ihn rufen sollte.
32Aber die Volksmenge saß um Jesus.
Sie sagten zu ihm: »Sieh doch, deine Mutter,
deine Brüder und deine Schwestern stehen draußen.
Sie suchen nach dir.«
33Aber Jesus antwortete:
»Wer ist meine Mutter? Und wer sind meine Brüder?«
34Er blickte die Leute an, die rings um ihn saßen,
und sagte: »Das sind meine Mutter und meine Brüder!
35Wer tut, was Gott will,
der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter.«
Markus 3, 31-35
Liebe Planpaare, liebe Gemeinde,
was für eine Geschichte!
„Jesus, deine Familie ist da!“
„Ach was, die hier um mich rum, das ist meine Familie!“
Ziemlich krass, finde ich.
Und gleichzeitig erleben wir bei unserer Kirchweih ja genau das Gegenteil:
Was wärt ihr, die Planpaare, in diesen Wochen ohne eure Familien?
Viele packen mit an, springen ein, wenn jemand ausfällt,
halten euch den Rücken frei.
Und wo es in einer Familie schwierig ist, da sind andere da,
Freunde, Nachbarn, viele weitere.
Und damit sind wir dann schon mitten im Evangelium.
Denn genau darum geht es Jesus.
Er weitet den Blick: Familie – das sind nicht nur die Blutsverwandten.
Familie – das sind alle, die Gottes Willen tun, sagt Jesus.
Wenn ihr euch auf der Kirchweih umseht und fröhliche Menschen beim Tanzen und feiern seht, dann werdet ihr vielleicht auch manchmal dieses Gefühl haben: „Diese Menschen um mich herum, das sind meine Eltern, meine Geschwister, meine Familie!“
Klar gibt’s auf der Kärm auch mal Streit. Und klar geht’s nicht allen Menschen gut. Und gerade auch in der Familie nicht immer. Die Familie von Jesus wollte ihn eigentlich wieder nach Hause holen, weil sie meinten, er sei verrückt geworden, aber das heute nur am Rande.
Aber wenn es gut läuft – dann können wir auf unserem Friedensfest wirklich ein bisschen was davon erleben, was das Reich Gottes ausmacht: Menschen freuen sich. Menschen feiern miteinander. Menschen gehen freundlich und liebevoll miteinander um. Menschen feiern den Frieden. Hebräisch: Schalom.
Das, sagt Jesus, das ist meine Familie!
Wer tut, was Gott will,
der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter.
So sagt es Jesus. Vater meinte er bestimmt auch, aber der war anscheinend bei dieser Geschichte nicht dabei.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Jetzt ist das Leben natürlich nicht nur Kirchweih feiern. So schön die Kärm ist: Das wäre ganz schön anstrengend.
Und Jesus hat ja hier auch nicht getanzt und Wein getrunken – das hat er zwar auch gerne getan, aber in dieser Geschichte kamen viele Leute zu ihm, um ihn über Gottes Liebe reden zu hören.
Tun, was Gott will: Das ist also nicht nur Wein trinken, fröhlich sein und tanzen. Aber was denn dann?
Das Evangelium, das wir vorhin gehört haben, das gibt uns einen guten Hinweis darauf.
Die bekannte Geschichte vom barmherzigen Samariter, der einem Fremden in Not hilft. Eigentlich das genaue Gegenteil von unserem Kirchweihfest. Eine Geschichte voller Brutalität, Gewalt und Not. Also eigentlich, was wir jeden Tag in der Zeitung lesen. Unfriede.
Das Besondere daran aber ist: Dieser Samariter, der hier dem Überfallenen geholfen hat. das war eigentlich ein Fremder. Ein Außenseiter. Mit dem wollte niemand was zu tun haben, denn die Samaritaner sind irgendwie anders. Fremd. Nicht „rechtgläubig“. Andere Sprache, andere Schrift, äh bitte nee, lass die mal unter sich bleiben.
Aber die ganze israelitische High Society war an dem armen überfallenen Mann in Not vorbeigegangen. Der Pfarrer musste schnell zum Kirchweihgottesdienst, also eigentlich der Priester ging vorbei und tat, als hätte er nichts gesehen. Und auch der Levit, der Tempeldiener, wollte damit nichts zu tun haben. Habt ihr auch schon mal irgendwo so getan, als hättet ihr eine Not nicht gesehen?
Nur dieser Fremde, dieser Samariter, selber ein Außenseiter: Der tat, was Gott will.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Tun, was Gott will.
Was heißt das denn heute?
Heute gibt es nicht nur den einen überfallenen Menschen am Wegesrand.
Heute gibt es so viele Menschen in Not.
Nie in der Geschichte der Menschheit waren so viele Menschen auf der Flucht. Vor Kriegen, Verfolgung, Hungersnöten, oder auch, weil der ansteigende Meeresspiegel ihre Inseln bedroht.
Was wir hier bei uns davon mitbekommen, das ist nur ein winziger Prozentsatz von all diesen Fluchtgeschichten. Von all diesem Leid, der Entwurzelung, von den Kriegserlebnissen, die die Menschen ihr Leben lang mit sich herumtragen werden.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Auch hier in unserem so reichen Land gibt es Menschen, die nicht über die Runden kommen. Menschen, die nicht oder nur wenig arbeiten können, weil sie krank sind oder Familienangehörige pflegen. Alleinerziehende Mütter, selten Väter, die halt keinen Vollzeitjob nebenher schaffen. Familien auch bei uns in Gochsheim, die sich keine Karussellkarten leisten können, keine Bratwurst und keine Kugel Eis. Die dann lieber daheim bleiben.
Und dann hören wir im Alltag diese anderen Stimmen:
„Die da kriegen alles in den Rachen geschoben.“
„Für Fremde ist Geld da, für uns nicht.“
„Wer nicht arbeitet, soll auch nichts essen.“
Solche Sätze trennen, sie machen Menschen klein, sie vergiften unser Miteinander, sie stiften Unfrieden.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Und Gottes Wille ist: Dass wir einander achten, dass wir füreinander da sind – nicht nur für die, die uns nahe stehen oder die „dazugehören“.
Seine Familie reicht weiter. Seine Familie reicht um die ganze Welt.
Und in Gottes Familie ist reichlich Platz – für die Starken und die Schwachen, für die Alteingesessenen und die Zugezogenen, für die, die gerade viel geben können, und für die, die einfach nur dabei sind oder nicht mal mehr das Dabeisein schaffen.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Klar ist: Wir, hier und heute in dieser Kirche, auf dieser Kärm, wir können das nicht alles komplett ändern.
Aber vielleicht hieße „Gottes Willen tun“ zumindest: Nicht verächtlich von anderen zu reden, nur weil sie anders sind.
Sich nicht an Hetze und Ausgrenzung zu beteiligen.
Freundlich zu reden auch über die, die mir völlig fremd sind.
Daran zu denken, dass auch der Samariter ein Fremder war.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Wir feiern das Friedensfest. Frieden – Schalom. Und Schalom, das ist in der Bibel mehr als das Schweigen der Waffen. Schalom, das ist, wenn alle genug zum Leben haben. Wenn alle miteinander versöhnt sind. Nicht nur die Menschen, sondern Mensch, Natur und Gott.
Davon sind wir weit entfernt. Aber vielleicht kann unser Friedensfest ein kleiner Lichtblick sein. Eine Vorschau auf das, was uns in Gottes Reich erwartet: Schalom. Frieden. Versöhnung. Ein erstes Preview auf das ewige Leben bei Gott.
Und vielleicht, wenn wir diesen Frieden einmal erlebt haben, macht das auch was mit uns. Dann tragen wir ihn in unserem Leben weiter – und machen ab morgen wenigstens die Welt um uns herum ein bisschen mehr zu einer Welt des Friedens.
„Wer tut, was Gott will, der gehört zu meiner Familie“.
Schalom.
Amen.