Texte der "Klänge in der Nacht" am 22.3.2019

Texte fremder Autoren wurden aus Copyright-Gründen entfernt. Alle Texte hier stammen von Heiko Kuschel.

Station 1: Mose

Mose an der Kanzel

Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Als ein Zeichen für die Menschen: Die Predigten hier, sie stehen auf dem Grund der Zehn Gebote. Die Predigten, die hier gehalten werden, sie fußen auf dem Alten Testament. Ihr habt gemeinsame Wurzeln mit dem Judentum. Manchmal, in eurer Geschichte, da wäre es gut gewesen, ihr hättet auf dieses Zeichen geachtet.

Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Und selten habe ich in diesen dreihundert Jahren Dinge gesehen wie die, die in den letzten Wochen und Monaten geschahen.

An allen Ecken und Enden scheint die Welt gefährdet. Konflikte flammen neu auf, in Israel, in Indien und Pakistan, in Nordirland. An so vielen anderen Orten gibt es nach wie vor keinen Frieden. Und als wäre das nicht genug, morden Extremisten Menschen, weil sie einen anderen Glauben haben oder einfach nur anders sind. Nicht nur in Christchurch, auch in Afrika, auch hier bei uns.

Und der Zustand dieser Welt: Eines der heißesten Jahre, die ich je erlebt habe, liegt hinter uns. Schwere Unwetter und Hitzeperioden wechseln sich ab. Eure eigenen Kinder protestieren, weil sie Angst um ihre Zukunft haben. Werde ich in hundert Jahren noch hier stehen? Wie wird sich das Klima bis dahin verändert haben? 

Mensch, was hast du getan? Bebauen und bewahren solltest du sie, die Erde. Doch die Erde ist krank. 

Mensch, was hast du getan?

Erdenball

Gerhard Schöne

Evolution

Und Eva reichte den Apfel
und Adam nahm
und aß
und sie erkannten die Wahrheit
und es ward dunkel
und siehe: es war sehr schlecht.

Und Adam und Eva suchten
ihr karges Leben zu verbessern

sie bauten und machten untertan
sie hauten um und verbrannten
sie züchteten und schlachteten

sie bauten Karren und Leitern und Äxte und Pflüge und Türme und Städte und Kutschen und Fabriken und Eisenbahnen und Autos und Kühlschränke und Flugzeuge und Bomben und Computer und Plastikberge und – siehe, es war sehr schlecht.

Und Nacht breitete sich aus auf der Welt.
Eine heiße, drückende, trostlose Nacht.
Ein Dunkel, noch nie gekannt,
eine Trauer, tief wie das Meer,
eine Leere, grenzenlos.

Und siehe, es war sehr schlecht.

Lied:  Im Dunkel unsrer Nacht

Taizé

Station 2: Stiftertafel

Stiftertafel

Viel Glück und Segen.

Im Jahre 1694. Um Gott Ehre darzubringen, der Vaterstadt Liebe, der Frömmigkeit ein Denkmal, der unveränderten Augsburger Konfession allgemeine Beistimmung, der auf Gottes Wort allein sich gründenden Religion ein Bekenntnis, dem Gottesdienst Ehrerbieten, hat nach seinem Entschluss und nicht minder nach dem seiner frommen, aus Nürnberg stammenden Gattin Magdalena Dorothea geb. Büttner, auf Grund eines Gelöbnisses diese Kanzel neu errichten und mit den zugehörigen Farben zieren lassen Andreas Tauber, geboren zu Schweinfurt am 14. Januar 1660, jetzt Nürnberger Bürger und Kaufmann.

Andreas Tauber

325 Jahre ist es nun her, dass ich, Andreas Tauber, diese Kanzel errichten ließ. Ja, Mose, weit über 300 Jahre stehst du nun hier. Ich habe den Auftrag dazu gegeben. Mein Leben versinkt in den Tiefen der Geschichte. Nur, was ich auf dieser Tafel eintragen ließ, überstand die Jahrhunderte. 

Ein geborener Schweinfurter war ich und ließ mich doch später als Kaufmann in Nürnberg nieder. In einer Stadt, die nach dem Dreißigjährigen Krieg lange nicht mehr die Bedeutung hatte wie früher. Aber wo war es nicht so – Krieg und Pest hatten unendliches Leid über uns alle gebracht. Selbst nach Jahrzehnten des Friedens hatten wir es nicht mehr zu alter Größe gebracht. Und doch, ich habe gut gewirtschaftet. Meiner Heimat Schweinfurt war ich verbunden. Mein Bruder Johann Michael war Stadtconsulent in dieser schönen Stadt. Und gemeinsam mit meiner Frau ließ ich aus alter Dankbarkeit diese Kanzel errichten, die nun weitgehend im Dunkeln vor euch steht.

Zerstört wurde sie vor fast genau 75 Jahren, in einem Krieg, dessen Schrecken wir uns trotz all unserer eigenen schrecklichen Erfahrungen kaum hätten ausmalen können. Wieder zusammengesetzt in mühevoller Kleinarbeit von Menschen, die doch selbst kaum genug zum Leben hatten.

Und so steht mein Name nun hier. Meine Kanzel. Etwas bleibt. Eine Erinnerung an meine Frau und mich. Ich hoffe, sie gefällt euch, diese Kanzel. Möge sie weiter Segen bringen.

Viel Glück und Segen.

Sag, warum glaubst du

Lothar Zenetti

Lied:  Ich lebe mein Leben 

T: Rilke, M: Siegfried Fietz

Station 3: Osterkerzenständer

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Osterkerzenständer #klaengeindernacht

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Osterkerzenständer

Massiv und schwer steht er da: Der Ständer für die Osterkerze. So schwer, dass man ihn kaum alleine tragen kann. Der Mittelteil massiv, doch ganz unten teilt er sich in vier Füße, die die Verbindung zur Bodenplatte herstellen. Auch oben, kurz unter der Kerze, verzweigen sich die Äste. Sollen es Blätter sein? Oder Kreuze?

Schwer und massiv steht er da, der Kerzenständer. Wer achtet schon auf ihn. Die Kerze, die Sonntag für Sonntag hier steht und brennt – sie ist das Wichtige. Sie weist hin auf das, was wir jeden Sonntag feiern: Das Osterfest. Die Auferstehung. Unsere Hoffnung, auch jetzt, in der Passionszeit. Auch jetzt, im Dunkel unsrer Nacht.

Dunkel ist es heute. Keine Osterkerze. Wir sehen uns nach Licht, nach Hoffnung. Wann wird die Erde wieder heil?

Was fehlt

Du: Dunkel, nutzlos, leer.
Kein Sinn
in dir
nur außer dir

Du, dunkel, nutzlos und leer,
entäußerst dich.
Schnorrst Licht
von Sternchen und Stars
füllst dich 
mit Nichts

bist doch nicht du
kein Sinn
nur dunkel und nutzlos und leer.

Du: Dunkel, nutzlos, leer.
Dir fehlt das Licht.
Dir fehlt das eine:
Dass einer spricht:
Ich liebe dich.

Es muss wohl so sein

Marlies Blauth

Lied:  You

Chi Coltrane

Station 4: Eberhart von Maßbach

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Ritter Eberhart von Maßbach #klaengeindernacht

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Eberhart von Maßbach

Eberhart von Maßbach ist mein Name. Ausgerechnet mein Todesjahr ist auf diesem Stein nicht mehr zu lesen, und so waren sich die Forscher nicht sicher: Handelt es sich um jenen Reichsvogt Eberhard, der 1382 starb, oder um Ritter Eberhart von Maßbach zu Maßbach, gestorben genau einhundert Jahre später, nämlich 1482? Dieser letztere, das bin ich. Ritter Eberhart von Maßbach zu Maßbach. Ein Vasall derer von Henneberg. Zuständig für alle Ortschaften um Maßbach. Poppenlauer, Thundorf, Theinfeld, Rothhausen, Stadtlauringen, Reinhardshausen, Ballingshausen, Ebertshausen, Hoppachshof, Madenhausen, Volkershausen, Ransbach, Weissensee und Stündingshausen. Die letzten Namen sagen euch nichts? Kein Wunder, die Dörfer existieren heute nicht mehr. Ja, das Leben war anders damals, zu meiner Zeit. Über 500 Jahre ist das her, da hatte noch nicht mal euer Dr. Martinus Luther seine Thesen angeschlagen. 

Ein rechtschaffenes Leben zu führen, das war mir wichtig. Meinen Herren zu dienen, die Steuern einzutreiben zur rechten Zeit, das war meine Aufgabe. Und natürlich betete ich zu Gott. Oh, so wichtig war es, nicht zu sündigen. So wichtig war es, zu bestehen vor Gott. Was hatte ich Angst, so wie alle Menschen zu meiner Zeit, so wie auch Martin Luther. Keinesfalls wollte ich in die Hölle gelangen. Ins Dunkel. Ins Tal der Tränen. Immer, immer war ich in Sorge darum, ob Gott mich wohl annehmen würde.

Nun bin ich 537 Jahre tot. Ob meine Angst berechtigt war? Ob ich Frieden gefunden habe bei meinem Gott? Vielleicht werden wir uns eines Tages begegnen. Dann, am Ende eures Lebens. Vielleicht werden wir uns begegnen, dort, im Reich Gottes. Dann werde ich euch gern davon berichten. Bis dahin frage ich euch, was ich mich selbst immer gefragt habe: War euer Leben gut? War es segensreich? Habt ihr etwas bewirkt? Könnt ihr Gutes berichten über euch selbst? 

Es ist nicht schwer

Lothar Zenetti

Lied:  Lege deine Sorgen nieder

Sefora Nelson

Station 5: Maria

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Maria #klaengeindernacht

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Maria

Maria, das ist mein Name. Die Mutter Gottes, so nennt ihr mich manchmal Schon letztes Jahr um diese Zeit sprach ich zu euch. Davon, was es heißt, den Sohn Gottes zu gebären. Davon, was es heißt, das Heil der ganzen Welt im Arm zu tragen.

Die Mutter Gottes, so nennt ihr mich. Dabei war und bin ich doch nur ein einfaches Werkzeug. Eine Dienerin Gottes, die ihr Bestes tut.

Ich habe ihn begleitet, diesen Jesus. Meinen Sohn. Ich habe ihn geliebt. Ich habe jede Botschaft von ihm aufgesogen. Jede Erzählung über ihn. Wie er den Lahmen geheilt hat. Den Blinden. Den Aussätzigen. Wie er mit kraftvollen Worten sprach vom Reich Gottes, das angebrochen sei. Wie er immer wieder stritt mit denen, die satt und zufrieden waren und meinten, sie hätten den Glauben in der Tasche.

Und doch, am Ende, das große Leid. Er, mein Sohn, angeklagt des größten Verbrechens. Er, mein Sohn, aufgehängt an einem dieser verhassten Römerkreuze. 

Könnt ihr euch vorstellen, was ich für Qualen erlitt? Könnt ihr euch vorstellen, wie das war – für eine Mutter, die ihr Kind dort hängen sah?

Hier seht ihr mich mit dem kleinen Jesuskind. Wir beide haben die Geschichte noch vor uns. Und doch ist mein Blick gewandt auf das Altarbild. Auf die Schrecken des Todes. Auf die Hoffnung auf Auferstehung. Warum nur, warum muss bei Gott immer alles so kompliziert sein?

Endlich einer

Josef Dirnbeck/Martin Gutl

Lied:  Mary did you know

T:Mark Lowry M: Buddy Greene

Station 6: Altarbild: Adam und Eva

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Adam und Eva #klaengeindernacht

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Adam und Eva

Ein Auferstehungsbild malte Adolf Kleemann damals, nach dem fürchterlichen Krieg. Ein modernes Bild in altem Rahmen. Im Licht der glanzvollen Auferstehung sehen wir uns selbst. Hier unten links. Im Licht der Auferstehung werden wir enthüllt. Nicht nur Adam und Eva sind nackt, auch wir selbst sind es. Nichts können wir verbergen vor Gott. Alles liegt offen da. Der Apfel der Versuchung – es ist unserer. Eva hält ihn in der Hand. Der Baum der Erkenntnis – er lockt uns, zieht uns zu sich. Wir wollen erkennen. Wir wollen wissen. Und nehmen uns dadurch selbst heraus aus dem Paradies. Der Blick des Adam: Gebeugt, hingewendet zum Tod. Wir sind es selbst, die unsere Welt dunkel machen. Dunkel und tödlich.
So sind wir. So sind wir Menschen. Die Versuchung ist groß – zu leben so, wie Gott es nicht wollte. 

Osternacht

Lothar Zenetti S. 68

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Auferstehung #klaengeindernacht

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Licht in der Finsternis

Hanns-Dieter Hüsch S. 19

Lied:  Bless the Lord

Taizé

dabei: brennende Osterkerze zum Ständer tragen

Auferstehung

Luise Kaschnitz

Vaterunser

Ostersegen

Und nun geht. Geht mit Gottes Segen. 
Geht in euer Leben, voller Kraft.
Liebt und streitet, lacht und weint, 
lebt jeden Tag voll großer Leidenschaft.

Also geht. Gehet eure Wege. 
Füllt die Tage, die er euch geschenkt.
Nutzt eure Gaben, bringt die Welt zum Blühen! 
Denn alles kommt von dem, der Erd und Himmel lenkt.

Und nun geht. Das Leben ist voll Wunder.
Und selbst der Tod ist nunmehr nur ein kleines Tor.
Aus allem Dunkel, allen Trauerfalten
spitzt heut das Licht von Gottes Liebe vor.

Lied:  Sei behütet

Clemens Bittlinger