Weihnachtsansprache: Wir Esel!

Der arme Esel. Fast hatte ich Mitleid mit ihm in dieser Geschichte. Er wollte doch einfach nur seine Ruhe haben! Und dann kam da diese Familie in seinen Stall. Ein Baby hat geschrien! In seinem Stall! Und dann haben sie es auch noch in seine ganz persönliche Futterkrippe gelegt! Also, das geht ja nicht.

Ja, liebe Gemeinde: Jesus stört. Diese ganze Sache mit der Liebe, mit gegenseitiger Annahme, mit Frieden auf Erden: Das klingt so wunderbar. Das ist unser aller Traum. Solange wir dafür auf nichts verzichten müssen. Dann wird’s gleich wieder kritisch.

Wirklich gefehlt hat dem Esel ja gar nichts. Er musste halt ein wenig zur Seite rücken. Und vielleicht sein Futter mal woanders fressen als ausgerechnet aus dieser Futterkrippe. Und trotzdem: Er war genervt. Und ich kann ihn verstehen.

Ich bin auch oft so ein Esel. Ich sitze im Zug und will meine Ruhe haben, lesen, schlafen oder arbeiten. Und dann kommt eine Schulklasse rein. Die haben Spaß, ich nicht. Statt dass ich mich freue über das quirlige Leben, ziehe ich mich griesgrämig zurück, ich Esel.

Oder in der Familie: Die jüngste Tochter möchte rausgehen und spielen, die ältere braucht Hilfe bei den Hausaufgaben, aber ich will nur meine Ruhe haben. Und umgekehrt doch auch: Wir Eltern wollen was gemeinsam unternehmen und die Kinder haben grade gar keinen Bock darauf. Wir Esel. Könnte alles so schön sein. Liebevoll, Friede auf Erden wenigstens in der eigenen Familie.

Beim Esel in der Geschichte, die wir gerade gehört haben, geht es noch weiter. Es wird ja noch enger in seinem Stall. Auf einmal kommen da die Hirten an. Fremde Leute. Unbeliebt. Immer hieß es: Die sind schmutzig, die sind hinterlistig. Die stinken, die klauen, was weiß ich. Und auf einmal stehen die hier im Stall bei diesem kleinen Baby. Die allerersten, denen die Engel von der Geburt erzählt haben. Die allerersten, die diese Botschaft von der großen Liebe Gottes hören und sie sogar sehen.

Unsere Türen sind zu, meistens. Wo rücken wir zusammen? Wo erfahren wir diese Liebe Gottes zu den Menschen, die ALLEM Volk widerfahren wird? Allem Volk: Denen, die hier geboren sind. Denen, die zu uns kommen, weil sie vor Krieg und Terror oder auch nur vor überwältigender Armut fliehen. Den Menschen, die keiner mag, von denen es heißt, sie sind schmutzig, sie sind hinterlistig, klauen, was weiß ich.

Ohne sie ist Weihnachten nichts. Doch unsere Türen sind zu. Unsere Herzen auch? Wir sind Esel, wenn wir das nicht verstehen: Gottes Sohn kommt zu allen Menschen. Aber zuallererst zu denen, die keiner mag. Die Not leiden. Die ihn am meisten brauchen.

Auch zu uns will Jesus kommen. In unsere Herzen. In unsere Wohnungen. Machen wir sie weit auf für ihn. Und singen gemeinsam Gott ein Loblied.

Amen.