Ansprache beim MehrWegGottesdienst: Gott kommt. Mitten ins Leben.
Gott ist immer noch nicht da.
Wie nervig.
Ja klar, es ist Advent.
Das heißt ja, Gott kommt, nicht Gott ist da.
Also warten wir halt weiter.
Warten auf Gottot. Oder so.
Ach, wärst du doch endlich da, Gott!
Ich hätte so viele Fragen.
So viel Hoffnung.
So viel Enttäuschung, die ich dir ins Gesicht schreien will.
Aber Gott ist immer noch nicht da.
Weiter warten auf den Weltenretter.
Weiter Nachrichten von Krieg, Hass, Tod, Krankheit, Einsamkeit, Verfolgung, Bomben, Klimakatastrophe, Artensterben, Schießereien, Misshandlungen, Machtmissbrauch, Kindesmissbrauch und und und.
Gott, komm doch einfach in unsere Welt.
Mach sie gut.
Nur durch deine Anwesenheit.
Bitte.
Komm.
Aber ... würde ich dich denn erkennen?
Wenn du kommst, bin ich bereit für dich?
Jeder Tag ist doch gefüllt mit Arbeit, Essen, Verpflichtungen. Mit Social Media, Verabredungen, Feiern, Nachrichten und Einkauf.
Wo hätte ich denn noch ein Plätzchen frei für dich?
Mein Gästezimmer in der Seele ist doch eine Müllhalde.
Müsste ich erst mal aufräumen da.
Sorry, Gott, wenn ich ehrlich bin:
Du kommst grad ungelegen.
Hab zu viel zu tun
mit all dem Schrott,
dem Alltagstrott,
mit meiner Not,
kein Platz für Gott.
Gott ist immer noch nicht da.
Ja, ehrlich gesagt, gut so.
Wäre ja peinlich, wenn du sehen würdest, wie ich lebe, Gott.
Wäre peinlich, wenn ich ehrlich zugeben müsste:
Ich lebe nicht so, wie du es von mir willst.
Nicht freundlich genug.
Nicht liebevoll genug.
Nicht rücksichtsvoll genug.
Nicht langmütig genug.
Gott ist immer noch nicht da.
Oder hab ich dich nur nicht erkannt in meinem Leben?
Warst du das, damals, als ich mitten in der dunklen Nacht spürte, wie jemand seine Hände über mich hält?
Warst du das, die mir damals diesen gesundheitlichen Tritt in den Hintern verpasst hat?
Warst du das, der mir nach langer ergebnisloser Suche gleich mehrere Wege gezeigt hat, wie mein Leben weitergehen kann?
Warst du es, die an meiner Seite war, als ich völlig verzweifelt war?
Warst du dieser leichte Hauch von Leben und Hoffnung, damals, als ich so einsam an diesem Grab stand?
Warst du in diesem schweren Schicksalsschlag, der mein Leben so gründlich veränderte – und ohne den ich heute nicht hier wäre?
Warst du in meinem unbeantworteten Gebeten?
Gott ist immer noch nicht da.
Jedenfalls nicht so, wie ich ihn haben will.
Aber – wenn Gott genau so wäre, wie ich es will,
wäre Gott dann noch Gott?
Unverfügbar bleibst du.
Aber vielleicht
bist du ja einfach da
kommst jeden Tag
mitten in mein Leben
und nimmst auch gern
mein völlig verramschtes Seelengästezimmer
Vielleicht müsste ich sagen:
Gott ist immer schon da.