Bitte warten!

Predigt am 2. Advent 2009
Gochsheim, 6.12.2009
Text:Jak 5, 7-8
So seid nun geduldig, liebe Geschwister, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. 8 Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Liebe Gemeinde!

„Vorfreude ist die schönste Freude“ sagt das Sprichwort. Da ist schon was dran. Die Kinder freuen sich auf Weihnachten. Jeden Tag wird ein Türchen am Adventskalender aufgemacht. Jeden Tag wird am Wunschzettel geschrieben und gemalt. Jeden Tag wird überlegt, wie das wohl werden wird, an Weihnachten. Vorfreude ist etwas Schönes. Wie ist das bei uns Erwachsenen? Mit den Geschenken ist es so eine Sache. Eigentlich könnten wir uns die meisten Dinge auch gleich kaufen, Wirtschaftskrise hin oder her. Wozu also warten? Warum sich beschenken lassen?
Seid geduldig, liebe Geschwister, so sagt unser heutiger Predigttext. Vor ein paar Jahren haben wir das Thema hier im Take Off-Gottesdienst aufs Korn genommen, als wir schon Ende Oktober Weihnachten gefeiert haben. Einerseits war es nur folgerichtig: Wenn es schon ab August Lebkuchen gibt, dann ist Weihnachten spätestens im Oktober dran. Andererseits war es auch ein seltsames Gefühl: Die Zeit passt einfach nicht.

Seid geduldig, liebe Geschwister. Wartet noch. Warten können ist für uns, glaube ich, schwieriger geworden als es das früher war. Das gilt nicht nur für Weihnachten, sondern für ganz viele alltägliche Dinge. Vieles ist viel schneller geworden. Im Internet erfährt man Neues oft innerhalb von wenigen Minuten. Wenn ich etwas haben will, kaufe ich es einfach. Warten? Wozu? Dass das früher mal anders war, dass man selbst auf lebenswichtige Dinge warten oder verzichten musste, das wissen die Älteren unter uns noch sehr genau. Viele haben mir davon erzählt, wie schwer diese Zeit nach dem Krieg war, als es von allem nicht genug gab.

Wenn ich alles gleich haben kann, dann ist auch alles irgendwie gleich. Im Sinn von egal. Warten ist eigentlich unnötig, aber auch die Sache, auf die ich warte, bedeutet nicht mehr so viel.
So seid nun geduldig, liebe Geschwister, so sagt der Jakobusbrief. Natürlich meint er nicht einfach: Seid geduldig, bald steht Weihnachten vor der Tür, und dann kriegt ihr eure Geschenke. Er meint: Seid geduldig, bis Jesus wiederkommt! Eine schwierige Frage war das damals, denn viele hatten gedacht, Jesus würde nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt noch zu ihren Lebzeiten wiederkommen. Das war nun ja offensichtlich nicht der Fall – doch wann dann? Seid geduldig, sagt der Jakobusbrief. Seid geduldig bis zum Kommen des Herrn. Und er vergleicht die Situation mit der eines Landwirts, der zwar manches dazu tun kann, dass seine Saat aufgeht und reift – aber auf andere Dinge wie den Regen zur richtigen Zeit keinen Einfluss hat. So warten wir heute noch auf das Wiederkommen Christi. Ist das denn etwas, worauf wir uns freuen? Stimmt da noch dieser Satz: „Vorfreude ist die schönste Freude“? Können wir uns das überhaupt vorstellen, was das bedeutet: Jesus kommt wieder am Ende der Welt? Nach 2000 Jahren Warten ist dieses apokalyptische Ende für die meisten eher in den Bereich der Sagen gerückt. Irgendwann, in etwa einer Milliarde Jahren, sagen die Wissenschaftler, wenn sich unsere Sonne verändert und zum Roten Riesen wird. Lange hin ist das. Ob Jesus vorher wiederkommt? So richtig vorstellen können wir uns das nicht. Aber wir wissen: Für jede und jeden von uns gibt es einen ganz persönlichen „Jüngsten Tag“. Den Tag, an dem wir sterben. Den Tag, an dem wir vor Gott stehen und zurückblicken auf unser Leben. Vielleicht ist es schon morgen soweit, bestimmt aber nicht erst ein einer Milliarde Jahren. Seid geduldig, sagt der Predigttext, als wäre das etwas, worauf man sich freuen kann, was man gar nicht mehr erwarten kann. Ja, natürlich, das gibt es. Alte und sehr kranke Menschen, die sich nach dem Tod sehnen. Jüngere, die keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen und am liebsten damit abschließen würden. Seid geduldig, sagt der Predigttext. Lebt in Vorfreude, aber lebt! Bereitet euch vor auf diesen letzten Tag. Lebt so, als wäre er nahe. Aber nicht voller Angst, sondern voller Vorfreude. „Stärkt eure Herzen“, sagt der Jakobusbrief.

Und bis dieser Tag kommt – unser letzter Tag oder der letzte Tag dieser ganzen Welt – erinnern wir uns jedes Jahr an Weihnachten an Gottes erstes Kommen. Daran, dass Gott in diese Welt gekommen ist. Als ein kleines Kind, nicht als der Herrscher der Welt. Behutsam, nicht mit großem Knall und Brimborium. Als einfacher Mensch, nicht als ein weltlicher König.

Mag sein, dass das Ende der Welt noch Tausende, vielleicht sogar Millionen oder Milliarden Jahre entfernt ist. Trotzdem können wir in der Erwartung darauf leben. Uns vorbereiten. Geduldig warten auf Weihnachten. Aufs Christkind, ja: Dieses Kind in der Krippe, das den Beinamen „Christus“, also Messias, Retter der Welt, trägt. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe. Stärkt eure Herzen, sagt der Jakobusbrief. Stärkt eure Herzen und bereitet euch vor auf das Kommen Gottes in die Welt. Spürt seine Nähe, dann an Weihnachten. Macht die Herzen weit für ihn. Die Zeit der Dunkelheit und der Ferne Gottes, sie ist bald zu Ende. In zwei Wochen, in der dunkelsten Nacht des Jahres, feiern wir die Ankunft des Lichts. In der dunkelsten Nacht des Jahres feiern wir den Sieg des Lichts über die Finsternis. Den Sieg des Lebens über den Tod. Noch ist es nicht ganz soweit. Aber wir sind auf dem Weg dahin. Stärkt eure Herzen, macht euch bereit. Das Kommen des Herrn ist nahe. Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. Darauf warten wir. Darauf bereiten wir uns vor. Und schon heute stärkt uns Gott mit Brot und Wein.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.