Gott fügt in Liebe zusammen.

Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis 2009

Schweinfurt, St. Salvator, 25.10.2009

Text: Mk 10,2-16

2 Und Pharisäer traten zu ihm und fragten ihn, ob ein Mann sich scheiden dürfe von seiner Frau; und sie versuchten ihn damit.
3 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Was hat euch Mose geboten?
4 Sie sprachen: Mose hat zugelassen, einen Scheidebrief zu schreiben und sich zu scheiden.
5 Jesus aber sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härte willen hat er euch dieses Gebot geschrieben;
6 aber von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau.
7 Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen,
8 und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.
9 Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.

 

Liebe Gemeinde!

In meiner Vikariatszeit kamen einmal ein Mann und eine Frau zu mir. Sie wollten mit mir sprechen, wollten einen Rat von mir. Beide waren verheiratet, hatten kleine Kinder. Sie drei, er zwei. Und sie hatten sich ineinander verliebt. Ein Jahr war das schon her, oder vielleicht noch ein bisschen länger, ich weiß es nicht mehr genau. Es war ihnen bewusst, dass es Unrecht war, was sie taten, dass sie sich immer wieder trafen. Sie hatten es versucht, voneinander los zu kommen – aber es war ihnen einfach nicht gelungen. Was sollten sie tun? Ihre Ehen, ihre Partner und Kinder einfach so hinter sich lassen, zusammen ein neues Leben anfangen? Oder doch noch einmal versuchen, den Kontakt zueinander abzubrechen, zurückzukehren in ihre Ehen, mit dem Ehepartner wieder von vorne anfangen?

Was sollte ich ihnen raten in dieser Situation? Egal, was sie tun würden: Es würde nie wieder so sein wie vorher. Ihre neue Partnerschaft würde immer davon belastet sein, dass an ihr zwei Ehen zerbrochen sind. Oder aber ihre Ehen würden immer darunter leiden, dass die beiden in Gedanken doch wieder bei dem anderen Partner wären.

Was sollte ich ihnen raten in dieser Situation? Was die Bibel dazu sagt, das war ihnen bewusst und war ihnen auch wichtig: „Du sollst nicht ehebrechen“ und „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Hart und kompromisslos klingt das für jemanden, der darum ringt, sich danach zu richten, und dem es nicht gelingt. Hart und kompromisslos klingt das für einen, der um die richtige Entscheidung ringt und es sich nicht leicht macht damit.

Hart und kompromisslos – aber heute geht es doch um die guten Ord­nungen Gottes, an diesem 20. Sonntag nach Trinitatis. Kann es denn gut sein, jemandem das so hart ins Gesicht zu sagen, der hin- und her gerissen ist zwischen zwei Welten?

Vielleicht ja. Nicht ohne Grund gehört „du sollst nicht ehebrechen“ zu den Zehn Geboten, den ganz grundlegenden Regeln, die uns das Zu­sammenleben ermöglichen sollen, die uns helfen sollen, unser Leben zu führen. Was dabei herauskommt, wenn man sich nicht daran hält, das haben diese zwei – und noch andere Paare, die später zu mir gekommen sind – am eigenen Leib gespürt: Schmerz, Trennung, Sehnsucht, Verzweiflung. Familien, die zerbrechen, Menschen, die nicht mehr wissen, wo sie hingehören, Kinder, die irgendwo zwischen zwei Famili­en stehen.

Die Ordnungen Gottes – das klingt so sehr nach Bevormundung. Aber genau darum geht es nicht, sondern es geht darum, uns zu schützen. Wie ein Kind von seinen Eltern geschützt wird durch bestimmte Regeln - „lang nicht auf die heiße Herdplatte“ - „schau nach links und rechts, bevor du über die Straße gehst“ - „putz dir die Zähne“ - so bietet Gott uns Regeln an, die uns unser Leben leichter und lebenswert machen. Die Zehn Gebote gehören dazu, aber sie sind nicht alles.

Und wenn wir uns nicht daran halten, an diese Regeln? Dann merken wir sehr schnell selbst am eigenen Leib, wohin es führt. Misstrauen, Angst, Streit.

Und wenn wir es einfach nicht schaffen, uns daran zu halten? Wenn die Sehnsucht nach dem anderen Partner einfach zu groß ist, wenn wir es nicht mehr aushalten? Was dann?

Hart und kompromisslos klingt das, was Jesus hier sagt: „Was Gott zu­sammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Aber auch den, der diese Regeln übertritt, sieht er noch liebevoll an. Sie kennen die Ge­schichte von der Ehebrecherin, die auf frischer Tat ertappt worden war und nun zu Jesus gebracht wurde. Gesteinigt werden sollte sie nach dem Gesetz des Mose. Was Jesus wohl dazu sagen würde? Das, was er dann sagt, das hätten sie nicht erwartet: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Auf einmal wurden sie sich bewusst: Keiner von uns kann vor Gott wirklich bestehen. Jeder hat kleine und große Sünden begangen. Wir alle hätten die Strafe genauso verdient wie diese Frau. Wir können nicht hochnäsig auf sie herabsehen, sondern wir stehen auf einer Stufe mit ihr. Und so zogen sie ab, einer nach dem anderen. Und schließlich standen sie allein da, Jesus und die Frau. Und er sagt zu ihr: „Ist denn keiner mehr da, der dich verurteilt? So verurteile ich dich auch nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“

Hart und kompromisslos? Nein: Verständnisvoll, liebevoll geht Jesus auch auf den zu, der gesündigt hat, das heißt: der sich von Gott abge­sondert hat. Er verurteilt nicht. Er zeigt nur auf, was falsch ist, was nicht gut ist. Und er lädt ein, zu Gott zurückzukehren.

Was hätte ich meinen zwei vom Anfang sagen sollen? Verurteilen, den ersten Stein werfen konnte ich nicht. Die meisten kennen das, dass man sich nach jahrelanger Ehe einfach aneinander gewöhnt hat, das Leben so dahinzieht, dass es Alltag geworden ist, den anderen zu sehen. Da hat so etwas Neues, Aufregendes seinen ganz besonderen Reiz. Nur: Ist es das wert, dafür, für so einen neuen Reiz, alles aufzugeben, was man hat? Die Kinder, die Familie, die ganze gemeinsame Geschichte, die ge­meinsame Zukunft? Wäre es nicht viel besser, die gleiche Energie in die bisherige Partnerschaft zu stecken, neu zusammen zu entdecken, was einen interessiert, was einen verbindet? Wird nicht auch der neue Reiz wieder vergehen, und was ist dann mal in zehn Jahren? Wird die neue Partnerschaft überhaupt noch Sicherheit bieten können, oder nagt dann immer der Gedanke: Wenn wieder ein besserer kommt, dann fange ich wieder von vorne an?

Genau diese Frage habe ich den beiden damals gestellt. Leider weiß ich nicht, wie es mit ihnen weiterging, denn sie waren von auswärts zu mir gekommen und haben sich nie mehr bei mir gemeldet.

 

Natürlich gibt es auch Ehen, in denen es ganz anders aussieht als hier. Ehen, wo einer den anderen schlägt oder unterdrückt, Ehen, die mit Liebe nichts mehr zu tun haben. Ich glaube, das ist nicht gemeint mit den „guten Ordnungen Gottes“. Ich glaube, dass solche Ehen scheitern müssen und dass es gut ist, sie zu beenden, um der Menschen willen, die unter ihr leiden.

Das war damals, zu Jesu Zeit, ganz anders. In der patriarchalisch ge­prägten Gesellschaft waren immer die Frauen diejenigen, die unter einer Scheidung zu leiden hatten. Keine Frau konnte sich scheiden lassen, nur der Mann konnte ihr einen Scheidebrief ausstellen. Dafür brauchte er einen Grund, aber es reichte eigentlich schon ein angebranntes Essen aus. Wenn der Mann sich von seiner Frau scheiden ließ, musste sie voller Schande zurück in ihre Familie, oder versuchen, sich irgendwie alleine durchzuschlagen. Keine besonders rosige Aussicht.

So nimmt Jesus also die Frauen, die nach dem damaligen Recht benach­teiligt waren, in Schutz, wenn er sagt: Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Darum geht es ihm, nicht um eine abstrakte Regel, sondern um Schutz für die Schwachen.

Darum muss es auch uns immer gehen, nicht nur in der Ehe, sondern in unserem Leben: Um den Schutz der Schwachen. Derjenigen, die be­nachteiligt sind. In einer Ehe sind das meistens die Kinder. Und doch ist manchmal die Frage: Muss ich sie davor schützen, das diese Ehe wei­tergeht, oder davor, dass sie auseinanderbricht?

Im täglichen Leben wissen wir genau, wo die Schwachen sind. Die Al­ten und Kranken, die Einsamen. Die bei uns und in anderen Ländern, die nicht genug zu essen haben. Immer hat sich Jesus eingesetzt für die, die am Rand standen, die verachtet waren oder benachteiligt. Ihnen hat er sich zugewandt, voller Liebe. Das soll uns ein Beispiel sein, egal, ob wir ledig, verheiratet, verwitwet oder geschieden sind. Und: Wir sollen einander vergeben, weil Gott uns auch vergibt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles unsere menschliche Ver­nunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.