Predigt beim Motorradgottesdienst 2018: Der Sonne entgegen
Heiko, bist du schon mal geflogen?
Ich, geflogen? Von einer Maschine runtergeflogen oder von der Schule?
Na, ich hoffe mal nicht, dass du von der Schule geflogen bist, das kann ich mir jetzt eigentlich bei dir nicht vorstellen, und auch nicht von einer Maschine runtergeflogen, nein, du fährst ja auch kein Motorrad, ich meine natürlich mit einer Maschine in der Luft …
Jetzt nicht gerade besonders oft – mit vier Kindern ist Urlaub mit dem Flieger nicht gerade bezahlbar. Aber letztes Jahr waren die Pfarrerinnen und Pfarrer des Dekanats gemeinsam in Rumänien, in Siebenbürgen. Das ging natürlich nur mit dem Flugzeug. Ja, war schon cool.
Ich bin ja kein Motorradfahrer, aber ich erinnere mich gerne daran, wie mich - noch zu Schulzeiten - ein Kumpel, mit in die Luft genommen hat: mein erster Flug mit einem Segelflieger. Wir sind von der Rhön aus gestartet und haben sogar ein paar Runden über meinem Elternhaus gedreht.
Toll, das fand ich auch schön, dieses Gefühl von Freiheit, in der Luft zu sein, Schweben … Und mein Elternhaus hab ich als Kind auch mal aus der Luft gesehen. Da sind wir auf dem Rückflug aus dem Urlaub tatsächlich genau drübergeflogen.
Jetzt haben wir ja heute keinen Fliegergottesdienst, sondern einen Gottesdienst für Motorradfahrer. Aber ich denke, da ist es wohl ähnlich. Heiko, wir beide sind zwar keine Motorradfahrer und können da nicht so mitreden, aber die Leute, die heute gekommen sind, können das bestimmt bestätigen: dieses Gefühl, in der freien Natur unterwegs zu sein, das Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit.
Ja, wir wünschen uns, dass das nie zu Ende gehen möge. Aber dann steige ich aus der Maschine, welche auch immer, und der graue Alltag geht weiter, mit all seinen Problemen und Belastungen: Morgen geht‘s wieder ins Büro und ich weiß jetzt schon, dass da morgen das absolute Chaos auf mich wartet. Und die Familie will natürlich auch nicht zu kurz kommen. Und die Steuererklärung muss auch noch fertig werden. [ach, ich hör jetzt lieber auf zu jammern.]
Ja, so leben wir nun mal - zwischen Traum und Wirklichkeit - das IST die Wirklichkeit, und die können wir nun mal nicht ausblenden. Und in unserer Welt sieht es ja auch leider auch nicht besser aus. Kaum kommt mal ein „Versöhnungszeichen“ aus Nordkorea, bekommen wir im nächsten Augenblick schon wieder die Bilder aus Syrien zu Gesicht, in denen Leid und Schrecken gezeigt werden. Die Machtdespoten unserer Welt sähen Hass und Zwietracht und belauern sich gegenseitig. Ich frage mich: Hat das irgendwann mal ein Ende?
Na, spätestens dann, wenn wir mal nicht mehr hier auf dieser Welt sind. Also quasi mit unserem Tod. Ja, dann ist alles vorbei. Zumindest dieses Auf und Ab, dieses ständige Hin und Her, die vielen Anforderungen, die das Leben an uns stellt, aber auch Krankheiten, Leid, Schmerz, Hoffnungslosigkeit …
Aber was kommt dann? Das ewige Leben? Hast du eine Vorstellung davon?
Ich finde es schwierig, sich das vorzustellen. Aber wenn man in der Bibel liest, da gibt es schöne Bilder davon.
Stimmt. Ich lese uns mal ein Beispiel aus dem Prophetenbuch des Jesaja vor. Dort heißt es im 65 Kapitel:
Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Man wird nicht mehr an das Frühere denken, es kommt niemand mehr in den Sinn.
Nein, ihr sollt euch ohne Ende freuen und jubeln über das, was ich erschaffe.
Denn ich mache aus Jerusalem Jubel und aus seinen Einwohnern Freude.
Ich will über Jerusalem jubeln und mich freuen über sein Volk.
Nie mehr hört man dort lautes Weinen und lautes Klagen.
Dort gibt es keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt und keinen Greis, der nicht das volle Alter erreicht. Wer als Hundertjähriger stirbt, gilt noch als jung, und wer nicht hundert Jahre alt wird, gilt als verflucht.
Sie werden Häuser bauen und selbst darin wohnen, sie werden Reben pflanzen und selbst ihre Früchte genießen. (...)
Sie arbeiten nicht mehr vergebens, sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen jähen Tod.
Denn sie sind Nachkommen der vom Herrn Gesegneten und ihre Sprößlinge zusammen mit ihnen. Schon ehe sie rufen, gebe ich Antwort, während sie noch reden, erhöre ich sie.
Wolf und Lamm weiden zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind (…)
Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der Herr. (Jes 65, 16b-25)
Wow, ich finde, das ist wirklich ein klasse Text! Und mit vielen schönen Bildern. Und einer tollen Hoffnung und mit Visionen. Okay, bis auf den Hundertjährigen, der noch als jung gilt …
Ja, das ist ja einfach ein Bild in der Bibel und steht für die Fülle des Lebens überhaupt. Aber wenn ich so darüber nachdenke, dann fällt mir auf: es geht in dem Text ja gar nicht um das ewige Leben. Da wird doch das Hier und Jetzt angesprochen.
Stimmt! Auch wenn der Text schon einige tausend Jahre alt ist und deshalb auch Bilder von damals aufgreift, so erzählt Jesaja darin vom Sinn und Ziel unseres menschlichen Daseins: dass wir Nachkommen zeugen, eine Familie gründen, Bäume pflanzen, sprich: uns etwas Aufbauen und alles unter den Segen Gottes stellen.
Und dass wir uns auch freuen können und das Leben genießen dürfen. So wie eben das Motorradfahren in die Morgen- oder Abendsonne hinein.
Es geht also schon los, HIER im jetzigen Leben, dass etwas vom ewigen Leben aufscheint, das Gott uns nach dem Tod verspricht. Im Hier und Jetzt leben, meine Verantwortung wahrnehmen, mir Ziele setzen - dann bekommt mein Leben Sinn und Ziel. Und dieses Ziel: Das ist sozusagen die Sonne. Das Leben mit Gott.
Stimmt. Und das andere wird ja nicht ausgeblendet, auch bei Jesaja nicht. Aber im Mittelpunkt steht die Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass es einen Gott gibt, der sagt: komm, ich führe dich durch dein Leben und bin bei dir nicht nur bis zu einem bestimmten Punkt, sondern immer, auch über deinen Tod hinaus.
Genau, und dann hat das ewige Leben schon mitten in meinem Leben begonnen. Amen.